Die Stunde des Spielers
schön heiraten«, sagte ich. »Da gibt es nicht bloß Elvis-Geistliche und Drive-Through- Kapellen.«
»Vegas.«
Ich nickte. Je mehr ich darüber nachdachte, desto besser gefiel es mir. »Das ist, als würde man gleichzeitig heiraten und in die Flitterwochen fahren. Wir würden sofort nach der Zeremonie zum Swimmingpool gehen und uns ein paar schicke Schirmchen-Cocktails genehmigen.«
Er sah mich unverwandt an. Wir waren noch nicht einmal ein Jahr zusammen. Davor war er mein Anwalt gewesen und schien immer einen ziemlichen Respekt vor den Problemen zu haben, die ich mir selbst schuf. Aber ich wusste bei ihm nicht immer, woran ich war. Dazu war die Beziehung noch zu frisch. Und trotzdem wollten wir heiraten. Gott stehe uns bei.
Dann lächelte er wieder. »Große furchteinflößende Werwölfe, die schicke Cocktails trinken?«
»Du kennst mich doch.«
»Vegas«, sagte er erneut, eher nachdenklich als fragend.
»Ich kann uns im Internet innerhalb einer Stunde eine Pauschalhochzeit buchen.«
»Und wir zahlen keine vierstellige Summe für einen Fotografen.«
»Genau. Bleibt mehr Geld für schicke Cocktails.«
Er zuckte ergeben mit den Schultern. »Na gut. Überredet. Du bist so niedlich, wenn du betrunken bist.«
Ähm ... sollte das etwa ein Kompliment sein?
»Aber ich kaufe mir trotzdem ein richtig tolles Kleid.« Vielleicht etwas in Rot. Ich, Las Vegas, ein rotes Kleid ... Vergiss die Brautzeitschriften, her mit der Vogue!
»Schön, aber ich darf es dir am Ende des Tages auszi hen.«
O ja, ich würde ihn nie wieder hergeben. Ich lächelte. »Abgemacht.«
Am folgenden Nachmittag in der Arbeit erwähnte ich gegenüber Matt, dem Sendetechniker meiner Radiosendung, den Einfall mit Vegas. Wir waren im Pausenraum, tranken Kaffee und unterhielten uns.
»Las Vegas?«, fragte Matt. Wie ich war er ein Showbusiness-Mittzwanziger. Er war stämmig und trug seine schwarzen Haare in einem Pferdeschwanz. »Das ist total cool. Durchgeknallt, aber cool. Etwas anderes hätte ich auch nicht von dir erwartet.«
»Man lebt nur einmal, stimmt’s? Und für den Rest unseres Lebens haben wir eine Geschichte, die wir auf Cocktailpartys zum Besten geben können.«
»Es wäre cooler, wenn ihr es schon getan hättet, ohne vorher jemandem davon zu erzählen«, sagte er.
»Es ist bisher nichts entschieden. Vielleicht lassen wir uns doch noch überreden, den konventionellen Weg einzuschlagen.«
Er blickte skeptisch drein. »Ich weiß nicht. Du hast einen Kerl gefunden, der mit dir nach Vegas durchbrennen will - lass alle anderen normal heiraten. Man heiratet nur einmal zum ersten Mal.«
Da hatten wir die Lebensphilosophie einer ganzen Generation in einem ordentlichen kleinen Satz verpackt.
An dem Nachmittag kam Ozzie, der Programmchef von KNOB und mein direkter Vorgesetzter, in meinem Büro vorbei. Ich fragte mich, womit ich ihn diese Woche auf die Palme gebracht hatte.
»Kitty?«
»Was kann ich für dich tun?«
»Wie ich höre, willst du nach Las Vegas, um dort zu heiraten«, sagte er.
Ich warf den Stapel Pressestimmen beiseite, die ich gerade gelesen hatte. »Wo hast du denn das gehört?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Es kursiert durch den ganzen Laden. Ist auch egal. Hör mal: Ich habe eine tolle Idee.«
Ozzie entsprach ganz dem Klischee des alternden Hippies - schütteres Haar, Pferdeschwanz, insgesamt der Glaube, aufgeklärt und progressiv zu sein - bloß dass er irgendwann den Kapitalismus für sich entdeckt hatte und immer nach Wegen suchte, ein paar Mäuse mehr zu verdienen. Warum sollten Großindustrielle den ganzen Spaß haben? Er wollte sie mit ihren eigenen Waffen schlagen.
»Du redest doch schon eine Weile davon, dass du eine Fernsehsendung machen möchtest, stimmt’s? Ich meine eine richtige, nicht diese Katastrophe letztes Jahr in Washington.«
Das war noch milde ausgedrückt. Ganz egal, dass mich diese Katastrophe berühmt gemacht und für höhere Einschaltquoten gesorgt hatte.
»Reden ist übertrieben. Träumen vielleicht.« Hauptsächlich hatten wir nach Möglichkeiten gesucht, uns mit der Midnight Hour an eine andere Talkshow anzuhängen, um zu sehen, ob es überhaupt einen Markt gab. Letzten Monat war ich anlässlich des Erscheinens meines Buches bei Letterman aufgetreten und hatte es geschafft, mich nicht zu blamieren, obwohl Dave viel zu viele Witze darüber gerissen hatte, wie oft Werwölfe sich wohl die Beine rasieren mussten. Doch das war weit entfernt von einer eigenen Show.
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