Die Stunde des Tors
»Ich dachte allerdings immer, daß Trolle unterirdisch leben - und einzelgängerische, ungesellige Typen sind.«
»Nun, ich weiß nichts von Trollen, mein Freund, aber die Mimpa leben im Grasland.«
»Wie die Fliegen«, schnaubte Mudge irgendwo in der Nähe.
»Und wenn ich könnte, würde ich mich jetzt 'n bißchen als Kammerjäger versuchen, wa!«
Jon-Tom konnte den Kopf des Otter sehen. Seine Kappe fehlte, sie war zweifellos während des Kampfes in der Kutsche verlorengegangen. Der Otter versuchte freizukommen und warf sich dabei zuckend herum, als hinge er an einer Starkstromleitung.
Er war der einzige von ihnen, der in bezug auf schiere Energie ihren Häschern gleichkam, aber er konnte die Seile nicht zerreißen.
Jon-Tom wandte sich wieder dem Hasen zu. »Kannst du mit ihnen reden, Caz?«
»Ich glaube, ich verstehe ihre Sprache ein wenig. Ein Tier, das viel herumreist, schnappt alle Arten von sonderbarem Wissen auf. Mich mit ihnen unterhalten kann ich wahrscheinlich nicht. Zur Konversation bedarf es immer zwei, und sie scheinen Fremden gegenüber ausgeprägt ungesprächig zu sein.«
»Wie kommt es, daß sie eine Sprache haben, die wir nicht verstehen?«
»Ich nehme an, daß das etwas mit ihrer heftigen Gegensätzlichkeit zu dem zu tun hat, was wir für ein zivilisiertes Leben halten. Sie sind in ihrer Isolation gut aufgehoben, soweit ich das beurteilen kann. Sie sind unverbesserlich feindselig, unverbesserlich schmutzig und streitlustig bis zum Irrsinn. Ich wünsche aufrichtig, jeder einzelne würde augenblicklich dort verrotten, wo er sich gerade befindet.«
»Amen«, sagte Flor.
»Was werden sie mit uns tun, Caz?«
»Darüber sprechen sie in diesem Moment.« Er deutete mit dem rechten, nicht gefesselten Ohr auf eine Dreiergruppe.
»Der da drüben mit dem eleganten Schmuck, der unglücklicherweise Clodsahamp an seinem Zauber hinderte. Er streitet mit ein paar seiner Kumpane. Offenbar fungieren sie als eine Art verkümmerter Rat.«
Jon-Tom verdrehte den Hals und konnte den Medizinmann sehen, der unter heftigen Gesten mit zwei gleichermaßen protzigen und lautstarken Burschen stritt.
Einen der beiden zierte die Urgeneration aller Fu-Manchu- Bärte; die Spitzen reichten fast bis an die Füße. Ansonsten war er völlig kahl. Das dritte Mitglied des verwahrlosten Triumvirats trug einen Bürstenhaarschnitt, sein Kinnbart war lang und spitz, der Schnurrbart gezwirbelt und gewachst. Beide waren genauso bizarr und exotisch gekleidet wie der Medizinmann.
»Nach dem, was ich hören kann«, sagte Caz, »möchte Glatzo uns gehen lassen. Die anderen beiden, Flachkopf und Großmaul, sagen, daß sie uns, weil die Jagd in letzter Zeit so schlecht war, ihren Göttern opfern wollen.«
»Wer gewinnt?« wollte Flor wissen. Jon-Tom fiel auf, daß sie zum ersten Mal ein wenig ängstlich aussah. Sie befand sich in guter Gesellschaft.
»Können wir denn überhaupt nicht mit ihnen reden?« fragte er hoffnungsvoll. »Was ist mit dem, der Clodsahamp knebeln ließ? Kennst du seinen Namen?«
»Den habe ich dir bereits genannt«, erklärte Caz. »Sein Name ist Großmaul. Flachkopf, Glatzo und Großmaul - so in etwa lauten ihre Namen übersetzt. Und nein, ich glaube nicht, daß wir mit ihnen reden können. Selbst wenn ich die richtigen Worte wüßte, glaube ich nicht, daß sie mich zu ihnen kommen ließen. Es scheint, daß derjenige, der am lautesten ist, die Debatte gewinnt, ohne seine Kumpane ihre Argumente vorbringen zu lassen.«
»Wenn es nur eine Frage des Brüllens ist, warum versuchst du es dann nicht?«
»Weil ich glaube, daß sie mir die Zunge herausschneiden würden, wenn ich sie unterbreche. Dafür bin ich ein zu guter Spieler, mein Freund.«
Es war auch unwichtig, denn Jon sah, wie die Debatte in genau diesem Augenblick beendet wurde: Glatzo drohte Großmaul einen Zentimeter vor dessen Rüssel mit dem Finger, woraufhin Großmaul die Stirn runzelte und den allzu überzeugenden Glatzo in die Weichteile trat. Als dieser sich zusammenkrümmte, streichelte Flachkopf Glatzos Schädel mit einer kleinen, aber wirksam aussehenden Keule. Das beendete die Diskussion.
Von den aufgeregten Zuschauern, die nie stillzustehen schienen, stiegen Jubelrufe auf.
Jon-Tom wunderte sich über den humanoiden Metabolismus, der eine derartige Dauerenergie erzeugen konnte.
»Ich fürchte, unser Fürsprecher ist unterlegen«, kommentierte Caz die Situation.
»Ich will nicht sterben«, murmelte Flor. »Nicht hier, nicht an diesem
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