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Die Stunde des Tors

Die Stunde des Tors

Titel: Die Stunde des Tors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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ihre Moral, was freilich nicht nur an ihrer nützlichen Gehhilfe lag, sondern nicht zuletzt auch an dem unglaublich komischen Bild, das Ananthos ihnen bot, wie er auf sechs der sorgfältig fabrizierten Schuhe dahinschlitterte, unsicher und vorsichtig wie ein Wasserschneider, der versucht, eine Schlammpfütze zu überqueren.
    Auch Bribbens' Stimmung hob sich merklich. Wenngleich sie ihn auch nicht wärmten, verliehen ihm die riesigen Schuhe an seinen Schwimmhautfüßen doch enorme Stabilität.
    Jon-Tom ging vor zu Ananthos. Es war am Morgen ihres achten Tages in den Bergen.
    »Ob wir es verpaßt haben?« Sein Atem erzeugte eine Wolke unmittelbar vor seinem Gesicht. Die Kälte suchte erbarmungslos immer noch grimmig nach einem Schlupfloch, durch das sie in seine Kleidung dringen konnte. Der grobe, primitive Parka, den die Weber in aller Eile hergestellt hatten, war kein Ersatz für eine Daunenjacke. Wenn sie nicht bald in wärmeres Gebiet kamen, bestand ernste Gefahr, hier zu erfrieren.
    »Das glaube ich nicht.« Ananthos zeigte auf die kostbare Schriftrolle, die er in einer schützenden, wasserdichten Röhre an sein linkes Hinterbein geschnallt hatte. »Ich kann mich nur auf die Karte verlassen, die die Hofhistoriker für uns angefertigt haben. Seit Jahren ist kein Weber so weit nach Süden vorgestoßen. Dafür gab es keinen Grund und, was ja wohl offensichtlich ist, es bestand kein Verlangen danach.«
    »Wieso bist du dann so sicher, daß wir es nicht verpaßt haben?«
    »Ich kann mir so sicher sein wie die Karten. Aber die Legenden sagen folgendes: Wenn man immer weiter in Riehtung Süden geht und, wie wir es getan haben, den tiefsten Weg durch die Berge nimmt, stößt man auf die Eisenwolke. Falls die Legenden stimmen.«
    »Und falls es überhaupt so etwas wie eine Eisenwolke gibt«, murmelte Jon-Tom.
    Ein Bein berührte ihn an der Hüfte, doch der Wind wehte Ananthos' beruhigende Worte davon.
    Manchmal ist die Verzweiflung das Vorspiel der Hoffnung. Am neunten Tag erbarmte sich das Wetter der Reisenden. Der Schneefall hörte auf, die Sturmwolken verzogen sich an einen anderen Ort, und die Temperatur stieg merklich, wenn auch nicht über den Gefrierpunkt.
    Wie zum Ausgleich dieser Milderung wurden sie mit einer anderen Gefahr konfrontiert: Schneeblindheit. Die grellen Strahlen der alpinen Sonne prallten von Schneebänken und Gletscherfronten ab und verwandelten alles in blendendes, diamantenes Weiß.
    Es gelang ihnen, aus Ananthos' Tüchervorrat primitive Schneebrillen zu fertigen. Doch selbst damit waren sie gezwungen, den Blick auf den Boden zu richten und alle anderen Sinne in höchster Alarmbereitschaft anzuspannen für den Fall, daß sich die nächste Schneebank von einer Sekunde zur anderen als tödliche Wand irgendeiner verborgenen Schlucht entpuppen sollte.
    So ging es einen Tag weiter, dann machten sie sich an den Abstieg.
    Zwei Wochen nach dem Verlassen Gossameringues hatten sie die Eisenwolke gefunden.
    Sie kletterten gerade eine kleine Steigung empor, auf der Mittellinie eines Grats, der zwischen zwei Hängen lag. Seit Tagen hatten sie keine Farben mehr gesehen, nur verschiedene Weißtöne, und so wirkte das stark reflektierende Schwarz, das plötzlich vor ihnen auftauchte, wie ein physischer Schock.
    Auf der gegenüberliegenden Seite eines Abhangs aus zerbröckelndem Granit voller verstreuter Schneeflecken war eine Bergflanke zu erkennen, die aussah, als sei sie von gefrorenem Teer überflutet. Sie wies vereinzelte Höhlungen auf, die eis- und schneeüberkrustet waren.
    Doch es war deutlich zu erkennen, daß die gewaltigen glatten schwarzen Massen, die wie ein öliger Wasserfall von der Bergflanke herabgeströmt waren, aus etwas Festerem als Teer bestanden. Sie glichen monströsen Blasen, die ohne zu platzen übereinander gehäuft worden waren. Die Schwärze war von Löchern durchsetzt wie von Pockennarben.
    Es war das metallische Glänzen, das Flor zu dem erstaunten Ausruf bewegte: »Por dios, es hematite.«
    »Was?« Jon-Tom musterte sie verwirrt.
    »Hämatit, Jon-Tom. Ein Eisenerz, das in solchen Formationen in der Natur vorkommt.« Sie zeigte auf den Berg. »Obwohl ich noch nie von einem derart großen Stein gehört habe. Ich glaube, die Formation nennt man brustwarzenoder nierenförmig.«
    »Was sagt sie da?« fragte Clodsahamp interessiert.
    »Daß das ›Eisen‹ in der Bezeichnung Eisenwolke auf Wirklichkeit beruht und nicht auf Poesie. Kommt jetzt endlich!« Sie schritten den sanften Abhang

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