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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
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Abraham ben Salomon die geforderten Bücher übergeben und erfahren hatte, dass Aimée den Anschlag überleben würde, hätte er die Auseinandersetzung mit Gleitje suchen müssen. Er war tatsächlich feige, wie sie ihm ständig vorwarf. Das Eingeständnis fiel ihm schwer.
    Gleitje schrak zusammen, als er den Eingang der Wäschekammer blockierte. Wohl oder übel musste sie ihm Rede und Antwort stehen. Ihre ganze Haltung verriet ihm, dass es nicht leicht werden würde, sie zum Reden zu bringen.
    »Was weißt du vom Tod des Hansehändlers und von den Geschäften, die er mit Conzett gemacht hat?«, fuhr er sie ohne Vorrede an.
    Sie setzte sich auf eine der geschlossenen Truhen und verschränkte die Arme.
    »Nichts«, murmelte sie aufsässig.
    »Lächerlich«, schnaubte Colard. »Das Gegenteil steht dir ins Gesicht geschrieben. Warum sollte dich der Tod eines Hansehändlers dermaßen entsetzen? Ich weiß sehr wohl, dass dein Vater mit seiner Hilfe die Waren weiterverkauft hat, die beim Überfall auf unseren Handelszug erbeutet wurden. Du kannst dir das Leugnen sparen. Die Frage ist nur, wen hat er bei diesem Geschäft so gereizt, dass er zum Dolch greift?«
    Gleitje fuhr hoch.
    »Was unterstellst du meinem Vater? Was er tut, ist nur zu unserem Besten!«
    »Er mordet zu unserem Besten? Was faselst du da? Hast du die Fuhrknechte vergessen, die in unseren Diensten erschlagen wurden? Wer hat auf Aimée gezielt? Glaubst du, Gewinnsucht rechtfertigt alles? Welchen Vorteil verschaffen uns Schurkereien? Sie bringen uns höchstens in Schwierigkeiten.«
    »Misch dich bloß nicht ein. Verhalte dich lieber einfach ruhig.«
    Colard wurde immer wütender. »Diesen Rat hättest du besser deinem frevelhaften Vetter Klaas gegeben. Er war es, der auf Aimée geschossen hat. Gib es zu. Er ist ein geübter Schütze und war in seiner Wut ein willfähriger Handlanger, weil man ihn, wegen Beleidigung der Gildemeister, vom Wettbewerb ausgeschlossen hatte.«
    »Woher …« Die Frage erstarb Gleitje auf den Lippen. Sie kämpfte um Fassung. »Ich weiß nichts von Morden. Ich weiß nur, dass wir Frau Aimée endlich losgeworden sind. Dafür sollten wir dankbar sein.«
    Ihre Verbohrtheit brachte Colard zum Wahnsinn.
    »Du freust dich zu früh. Dein Vater und Klaas stecken in großen Schwierigkeiten. Aimée hat mächtige Freunde.«
    »Wer sollte das schon sein?« Gleitje verzog verächtlich den Mund. »Der Herzog? Er hat in Brügge nichts zu sagen. Noch regiert Margaretes Vater Flandern, und der legt sich nicht mit den Städten an.«
    »Es gibt einflussreiche Bürger in Brügge.«
    »Was redest du da?« Gleitjes Stimme überschlug sich. »Niemand würde es wagen, sich gegen meine Familie zu stellen.«
    »Bist du dir da so sicher? Dein Vater hat dich gebeten, das Haus nicht zu verlassen und kein Risiko einzugehen. Warum wohl?«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    Colard überging die Frage. Er war sich sicher. Er packte Gleitjes Handgelenk und zog sie nahe an sich heran. »Wem hat dein Vater den Auftrag gegeben, unseren Handelszug zu überfallen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Er verstärkte seinen Griff.
    »Hör auf, du tust mir weh!«
    »Dann rede endlich.«
    »Lass mich los. Mein Vater bringt dich um.«
    Colard lachte grimmig. »Der Wagenzug wurde von einem Söldnertrupp bei Reims überfallen. Wer war der Anführer? Du weißt es: Klaas – Klaas Korte. Er macht die Schmutzarbeit für seinen Onkel.«
    Tränen der Wut standen Gleitje in den Augen. »Klaas ist wenigstens ein Mann und kein Schlappschwanz wie du!«
    »Er wird der nächste Tote sein. Wer sich mit Mordbrennern und Schlächtern einlässt, darf sich nicht wundern, wenn es ihm selbst an den Kragen geht. Hat dein Vater den vereinbarten Lohn nicht gezahlt? Und wo steckt dein Vetter? Hat er Brügge verlassen?«
    »Du bist wahnsinnig«, bäumte Gleitje sich auf. »Du phantasierst. Ich weiß nichts von Mordanstiftung und Mord. Du bist ebenso verrückt wie deine Tante!«
    Colard stieß sie von sich. Sie geriet ins Taumeln und stürzte. Im Fallen streifte sie mit der Stirn eine der Wäschetruhen. Ihr Gezeter ging in schrilles Heulen über.
    »Bei Gott, sag endlich die Wahrheit, oder ich prügle sie dir aus dem Leib«, brüllte Colard, ohne ihr Gekreische zu beachten.
    »Das wagst du nicht!«
    Gleitje rappelte sich hoch und betastete mit den Fingerspitzen die blutende Platzwunde an ihrer Stirn. Sie kochte vor Zorn, und der Anblick des eigenen Blutes trug nicht dazu bei, sie zu beruhigen.
    »Das bereust du

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