Die Stunde des Venezianers
vorsichtig zu taktieren, denn noch war der rätselhafte Anschlag auf den Herzog, beim Wettbewerb der Bogenschützen, völlig ungeklärt. Der Graf von Flandern hatte seinem Schwiegersohn nahegelegt, die Stadt unter einem Vorwand so schnell wie möglich zu verlassen.
»Ich bedaure, dass die Kriegshandlungen wieder aufgeflammt sind«, entgegnete Salomon. »Erlaubt mir, zu bestätigen, dass unsere geschäftlichen Verabredungen davon nicht berührt werden. Die Produktion in der Manufaktur wurde bereits in Gang gesetzt.«
»Wir kennen Aimée Cornelis als zuverlässig. Wir hatten keinen Zweifel daran«, sagte die Herzogin und begegnete dem Blick ihres Besuchers mit einem gewissen Zögern. »Es tut mir leid, dass meine Nachrichten weniger erfreulich sind. Die Handelsherrin schwebt noch immer zwischen Leben und Tod. Der Medicus meines Gemahls konnte den Pfeil aus ihrer Schulter entfernen. Es gelang ihm, auch die Blutungen zum Stillstand zu bringen, doch bedauerlicherweise hat sich danach ein Wundfieber eingestellt, das sich mit keinem Mittel eindämmen lassen will.« Die Stimme der Herzogin verriet ihr Mitgefühl. Im Zwiespalt ihrer Freundschaft zu Aimée, der Sorge um ihren Gemahl und der Verbundenheit, die sie ihrer flämischen Heimat entgegenbrachte, fiel es ihr schwerer als sonst, die richtigen Worte zu finden. Noch lastete der hässliche Verdacht auf Brügge, seinem künftigen Herrn nach dem Leben getrachtet zu haben.
Auf Befehl des Grafen von Flandern war die heikle Angelegenheit eilig unter den Teppich gekehrt worden. Ihm lag daran, das fragile Gleichgewicht der flandrischen Städte zu erhalten und die eigene Macht nicht überflüssig zu unterminieren. Brügge war seine Hauptstadt. Wenn sie offen Verrat übte, würde Gent wie ein Habicht einfallen und mehr Einfluss und Privilegien verlangen, als er einer Stadt zu geben gewillt war.
Man hatte das Ereignis wie einen tragischen Unfall behandelt. Wäre nicht ausgerechnet Aimée Cornelis das Opfer gewesen, hätte auch die Herzogin die Angelegenheit leichter überspielen können. So jedoch sorgte sie sich, und wie es aussah, teilte ben Salomon ihre Sorge.
»Sie muss wieder genesen«, sagte er nun mit solcher Eindringlichkeit, dass sie ihm mit einem traurigen Kopfschütteln antwortete.
»Wir können nur für sie beten. Die ärztliche Kunst scheint an ihrem Ende angelangt zu sein.«
»Der Pfeil war für sie gedacht. Hat man ihn schon genauer untersucht?«
»Wie? Wisst Ihr, was Ihr da sagt? Der Pfeil sei für Aimée bestimmt gewesen?«
»Es ist die Wahrheit, Euer Gnaden.«
»Erklärt Euch!«
Der autoritäre Befehl veranlasste Salomon zu einer respektvollen Reverenz. Es war nicht seine Art, sich einschüchtern zu lassen, aber ihm war bewusst, dass die Wahl seiner Worte von Bedeutung war für die Fürstin und die Politik ihres Vaters.
»Im Gegensatz zu Eurem Gemahl hat Aimée Cornelis Feinde in Brügge. Man sieht es nicht gerne, dass sie die Nachfolge ihres Mannes angetreten hat und das Handelshaus, trotz aller Schwierigkeiten und Angriffe, erfolgreich leitet. Zu Zeiten ihres jungen Mannes war es hoch verschuldet und drohte eine leichte Beute der Konkurrenz zu werden. Nur ihr Eingreifen hat es verhindert. Zudem genießt sie Eure und die Gunst Eures Gemahls, so dass sie mit gewöhnlichen Mitteln nicht anzugreifen ist.«
Margarete von Burgund verließ ihren Platz hinter dem breiten Arbeitstisch und trat an eines der Fenster. Nach längerem Nachdenken wandte sie sich zu Salomon um.
»Ich würde Euch gerne glauben, denn es würde mich von der großen Sorge um meinen Gemahl befreien. Allein, es fällt mir schwer. Nennt mir Namen und Gründe. Präsentiert mir Beweise und untermauert Eure Vermutungen, dass es eine Schurkerei aus Habgier ist. Ich möchte Gewissheit haben.«
Salomon schilderte die Hintergründe zu den Ereignissen der vergangenen Monate und Wochen, bis hin zu dem Brand, über den er natürlich inzwischen ebenfalls Bescheid wusste. Er führte alles an, aber er nannte keine Namen. Domenico Contarini wollte die Ahndung in die eigenen Hände nehmen, egal wie es um Aimée bei seiner Rückkehr stand. Selbstverständlich hielt er sich daran.
»Habt Ihr den Bogenschützen gefunden? Was wisst Ihr von den Söldnern, die den Handelszug überfallen haben sollen? Und vor allen Dingen, wer ist der diabolische Kopf, der hinter diesem Vernichtungsfeldzug gegen eine Frau steckt, die mir teuer ist?«, wollte die Herzogin sichtlich erregt wissen, als er zum Ende kam.
»Ihr
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