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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
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berufliches Misstrauen, das er auch auf Aimée übertrug. Er zwang sich zu einem streng sachlichen Ton.
    »Seid Ihr Euch sicher, dass Ihr Eure ganze Zukunft für ein Handelshaus opfern wollt, das in Schwierigkeiten steckt? Euer Onkel würde sich freuen, würdet Ihr zu ihm zurückkehren. Ihr würdet Euch wieder in Euren Kreisen bewegen.«
    »Was redet Ihr nur? Dies sind meine Kreise.« Mit einer schwungvollen Handbewegung bezog sie das ganze Kontor ein. »Habt Ihr das Testament von Piet Cornelis vergessen? Wir werden zu verhindern wissen, dass Domenico Contarini unter diesem Dach Befehle erteilt.«
    »Und wie wollt Ihr das machen?« Colards Stimme verriet Unglauben.
    »Noch kann ich es nicht sagen. Aber es wird mir etwas einfallen, dessen könnt Ihr gewiss sein.«
    Ein Pochen an der Tür verhinderte Colards Antwort. Ein Knecht reichte Aimée mit wichtiger Miene ein gefaltetes Pergament, auf dessen Rückseite das dicke Siegel des Herzogs von Burgund prangte.
    »Ein Kurier hat dieses Schreiben soeben abgegeben, und ich habe ihm schwören müssen, dass es augenblicklich in Eure Hände gelangt, Herrin.«
    Die respektvolle Anrede trug Aimées neuem Rang Rechnung. Seit sich Sophia völlig in ihrer Trauer vergrub, kaum noch ihr Gemach verließ und keinen Einfluss auf die Führung des Hauses mehr nahm, sprach das Gesinde sie mit dem ihr zustehenden Titel an.
    Aimée drehte das Schreiben in den Händen.
    An Aimée von Andrieu, Gattin des Ruben Cornelis zu Brügge.
    Was wollte der Herzog von ihr?
    Sie brach das Siegel, während Joris und Colard mit verständlicher Neugier dabei zusahen. Die Sorge stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Sie beruhigte sie mit einem flüchtigen Lächeln, sobald sie die ersten Zeilen überflogen hatte.
    »Herzogin Margarete hat mir geschrieben. Es sind private Zeilen.«
    »Dann wollen wir Euch alleine lassen, damit Ihr sie in Ruhe lesen könnt«, sagte Colard höflich und winkte Joris, damit er ihn begleitete.
    »Nein, bleibt. Ich gehe. Ihr habt sicher zu tun.«
    Aimée verließ das Kontor. Ebenso neugierig auf den unerwarteten Brief der Herzogin wie erleichtert darüber, das Gespräch mit Colard zunächst beenden zu können. Seine wiederholten Versuche, sie zurück nach Hause zu schicken, missfielen ihr, aber sie wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen.
    Die Neuigkeiten aus Flandern fanden ungeahnt schnell ihren Weg an den burgundischen Hof. Herzogin Margarete war zutiefst betroffen über den Verlust, den Aimée erlitten habe, las Aimée in ihren Räumen.
    Er wird so strahlend und jung in Eurer Erinnerung bleiben, wie er es auf dem Höhepunkt seines Lebens gewesen ist. Ich werde für ihn und für Euch beten. Wie es heißt, wollt Ihr in Brügge bleiben und das Handelshaus Eures Mannes weiterführen. Also habt Ihr trotz Eures persönlichen Leides die Aufgabe gefunden, nach der Ihr Euch gesehnt habt. Ich wünsche Euch Gottes Segen.
    Als Tochter des Grafen von Flandern weiß ich, dass ausgewählte Kunstwerke in den Lagerräumen der Flanderngaleeren ihren Weg nach Brügge finden. Sie sind der Grund, warum ich an Euch herantrete und Euch bitte, mich zu unterstützen.
    Die Burg des Herzogs in Dijon, die Aimée aus eigener Anschauung kennengelernt hatte, war dem prunkliebenden Fürsten zu schlicht und zu klein. Schon im vergangenen Frühjahr war die Rede davon gewesen, das alte Gemäuer zu erweitern, zu verschönern und den Ansprüchen des kunstsinnigen Herzogs anzupassen. Offensichtlich hatte er in Margarete eine Frau gefunden, die diese Wünsche teilte.
    Der Herzog vermisst nicht nur einen Ballspielplatz, sondern auch moderne Bäder und eine gedeckte Galerie, auf der wir die Regentage verbringen können, die in Dijon nicht selten sind. All dies wird von fleißigen Handwerkern nach seinen Plänen geschaffen, während er im Felde ist und gegen die Engländer kämpft. Möge Gott ihn schützen. Das Herzogtum Burgund wird in seiner Abwesenheit von unserem treuen Diener Odo von Grancey verwaltet. Mir obliegt die Aufsicht des Baues und später die Einrichtung der fertigen Gemächer, die in ihrem Glanz alles je Dagewesene in den Schatten stellen sollen. Es geht mir nicht um eitlen Pomp, sondern um edle Kunst, die das Auge des Herzogs erfreuen soll.
    Beim Stichwort Pomp dachte Aimée an die Hüte des Herzogs und musste lächeln. Jeder einzelne trug, unabhängig von Farbe und Material, auf seinen persönlichen Wunsch hin zwölf Straußenfedern, zwei Fasanenfedern und jeweils zwei Federn exotischer Vögel. Wenn seine

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