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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
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gesprochen.
    Sie schwankte, ob sie betroffen und empört reagieren sollte, und entschied sich für kalte Zurückweisung der unverhohlenen Unverschämtheit Colards.
    »Immerhin besitze ich noch genügend Verstand, um mich zu fragen, was dich plötzlich dazu treibt, mich derart zu kritisieren, Colard de Fine?« Wieder sprach sie ihn mit vollem Namen an. »Seit wann nimmst du dir das Recht heraus, über mich zu urteilen und mir Vorschriften zu machen? Sagt dir seit einiger Zeit Gleitje, wie unser Geschäft zu gehen hat?«
    »Sie weiß, wovon sie spricht. Sie ist die Tochter Anselm Kortes. Die Regeln unseres Standes haben sie von Kindesbeinen an begleitet.«
    Mit einem Schlag waren für Aimée alle Fragen beantwortet. Jetzt würde sie der Sache auf den Grund gehen.
    »Das will ich glauben, aber sie hat nicht genug Verstand, etwas dabei gelernt zu haben. Sie wird ihre Einflüsterungen von ihrem Vater bekommen, und der hat sicher kein Interesse am Wohlergehen des Hauses Cornelis. Ich sage dir etwas: Du wirst Gleitje geheiratet haben, weil Korte dich dazu gezwungen hat. Er kann damit hier Einfluss nehmen – und du lieferst damit skrupellos das Haus Cornelis an ihn aus, weil du denkst, mit seinem Geld bist du alle Sorgen los. Und dann musst du nur mich noch vertreiben.«
    Aimée sah Colard mit einem durchdringenden Blick an. Colard, sonst nicht Fisch, nicht Fleisch, geriet außer sich. »Du willst also die Wahrheit wissen? Gut, du sollst die ganze Wahrheit haben: Gleitjes Vater drängt auf einen männlichen Enkel und Erben. Er sucht schon seit Jahren einen Mann für Gleitje. Ruben ist ihm entkommen, aber er weiß von seinem versuchten Waffenschmuggel, und ich konnte mich seiner Erpressung nicht widersetzen. Er besitzt die Frachtpapiere der Koralle . Die wirklichen Frachtlisten. Jedes Fass Schwertklingen und jedes Kettenhemd ist genau verzeichnet. Er hat mich vor die Entscheidung gestellt – entweder Gleitje oder die totale Vernichtung des Hauses Cornelis und die Vertreibung seiner Bewohner. Ich habe mich für Gleitje entschieden.«
    Aimée hatte mit wachsendem Staunen zugehört. Sie hatte also recht gehabt. Anzunehmen, dass es Korte nur um einen Enkel ging, wie Colard meinte, war jedoch blauäugig. Ihr fiel der Satz von der Angst ein, die kein guter Ratgeber ist, und dass sie sich vorgenommen hatte, so bedacht wie gewitzt zu handeln. Maître Ballain hatte gesagt, man müsse seine Feinde kennen, wenn man sie besiegen wolle. Sie empfand Genugtuung, aber keinen Triumph.
    »Warum hast du mir das nie erzählt?«, fragte sie Colard.
    »Was hättest du tun können? Korte umgarnen? Er ist aus anderem Holz geschnitzt als dein Onkel Jean-Paul. Er lässt sich nicht mit Moral packen und nicht von Frauen einlullen. Ich habe gelernt, dass das durchaus seine guten Seiten haben kann. Ich ziehe meine Vorteile aus dem, was ich davon lerne und aus der Verbindung. Gleitje bekommt ihr Kind und die Freiheit eigener Entscheidungen. Auf dieser Basis kommen wir gut miteinander aus.«
    »Das habe ich gemerkt«, entgegnete Aimée kalt und wollte auch gleich noch etwas klären. »Der Überfall auf unseren Handelszug ist ein Werk eures neuen Bündnisses.«
    »Was redest du da? Der Verlust trifft doch auch mich! Und deinem Unverstand haben wir ihn zu verdanken! Immerhin kannst du jetzt nicht länger die Augen vor dem Ausmaß deiner eigenen Unfähigkeit verschließen. Ich denke nicht mehr daran, auch in Zukunft noch den Sündenbock für dich zu machen. Auf mich kannst du künftig nicht mehr zählen.«
    »Und was gedenkst du nun zu tun? In diesem Haus und diesem Geschäft gehört dir kein Stein, kein einziges Blatt Papier.« Sie musste einfach deutlich werden.
    »Dir auch nicht«, schlug Colard giftig zurück. »Streng genommen gehört alles, was du so gierig raffst, Domenico Contarini. Daran kann auch das Testament des alten Cornelis nichts ändern.«
    »In diesem Falle wird es gut sein, wenn Contarini mit mir die Entscheidungen trifft, und nicht du. Ich werde mich an ihn wenden.«
    Sie konnte sehen, wie wenig Colard dieser Gedanke gefiel.
    »Denkst du, er eilt dir aus Venedig zu Hilfe? Wenn du dich nur nicht täuschst. Ich wiederhole noch einmal den guten Rat, den ich dir bereits gegeben habe: Pack und entschwinde zu deinem Onkel nach Andrieu. In Brügge ist kein Platz für dich. Denk nicht darüber nach, tu es«, sagte er noch und ließ sie allein.
    Unwetter war Aimée gewöhnt, aber jetzt hatte es einen Hagelschauer gegeben. Die Schmähungen

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