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Die Stunde des Venezianers

Titel: Die Stunde des Venezianers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cristen Marie
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Tatsache, dass sie selbst jeden seiner wiederholten Heiratsanträge abgelehnt hatte, mochte seinen männlichen Stolz verletzt haben, aber das war doch kein Grund, sich bis zum Ende seiner Tage an Gleitje Korte zu binden.
    Die Hochzeit war im vergangenen Herbst gefeiert worden. Aimée hatte das Gefühl, sie würde sich vermutlich nie daran gewöhnen können, der jungen Frau de Fine im Hause zu begegnen. Ihr Vater sah zwar von Besuchen ab, aber von Colard wusste sie, wie boshaft er in Gilde und Rat gegen ›Rubens adeliges Weib‹ wetterte.
    »Ich sehe, es gibt diese Feinde«, nickte Maître Ballains Bote verständig, als sich ihr Schweigen in die Länge zog. »Behaltet Eure Vermutungen und Verdächtigungen für Euch, bis Ihr handfeste Beweise besitzt, Madame Cornelis. Erst dann könnt Ihr etwas gegen Euren Widersacher unternehmen. Maître Ballain rät, bis zu diesem Zeitpunkt alle weiteren Handelszüge auszusetzen. Ihr setzt Menschenleben und Waren aufs Spiel, solange Eure Feinde nicht ausgeschaltet sind.«
    Aimée konnte ihm nicht widersprechen, sie konnte nur ohnmächtig die Fäuste ballen, als sie wieder alleine war. Der Verlust des Handelszuges würde ihren Ruin bedeuten. Die Zinsen – das Darlehen – die Hälfte der eingeräumten fünf Jahre war bereits verstrichen.
    Die hoffnungsvollen Gewinne des ersten Jahres waren unter den Schwierigkeiten des zweiten Jahres geschwunden. Sie hielten sich eben über Wasser, und Colard wurde nicht müde, die geringen Reserven zu beklagen. Gleichzeitig erhob er jedoch Einspruch gegen jede ausgefallene Idee, der Misere beizukommen. Sie hatte den Handelszug gegen seinen Willen in Auftrag gegeben – und nun? Niedergeschlagen vergrub sie das Gesicht in den Händen, sobald der Bote gegangen war.
    Es war ihr kein entscheidender Durchbruch gelungen. Sie hatte falsche Entscheidungen getroffen. Der Erfolg, den sie nötig brauchte, würde ihr nie beschieden sein. Sie hatte an Rubens Tod Schuld. Sicher hätte er, wäre er nicht umgekommen, in seiner Unbefangenheit, mit Schwung und immer neuen Ideen alles besser gemacht. Warum kämpfte sie eigentlich um dieses Erbe? Sie hätte an den Hof der Herzogin zurückgehen sollen. Was würde Domenico Contarini sagen? Sie war eine Närrin – sie war eben nur eine Frau. Ein Umstand, den auch Gleitje nicht müde wurde zu betonen.
    Colard zuliebe hatte sie anfangs über Gleitjes hochfahrenden Ton, ihre giftigen Bemerkungen und ihre sinnlosen Eingriffe in den Haushalt hinweggesehen. Sie bereute diese Nachgiebigkeit inzwischen. Gleitje mischte sich in Dinge ein, die sie nichts angingen. Sie kommandierte die Näherinnen herum, die in Aimées Auftrag die Stoffe für die Patrizierinnen von Brügge verarbeiteten. Sie bediente sich bei den Edelsteinen, die dringend verkauft werden sollten.
    In der vergangenen Woche war ein ganzer Ballen venezianische Seide auf ihre Anweisung hin verschnitten worden. Aus den Stoffresten konnte man höchstens noch Kinderkittel anfertigen, aber nicht einmal die reichsten Patrizierfrauen von Brügge wünschten venezianische Seide für Kinderkittel. Gleitje war zum Dorn in Aimées Fleisch geworden.
    Was schätzte Colard nur an der fetten Tuchhändlerstochter? Ihr Erbe? Darauf würde er lange warten müssen. Anselm Korte war imstande, hundert Jahre alt zu werden, nur um den Rat von Brügge zu ärgern. Auch sein Schwiegersohn würde das erkennen müssen. Aber worauf wartete Colard dann? Auf ihr Scheitern? Seine Mitarbeit wurde seit seiner Heirat immer nachlässiger, interesseloser. Ihr gutes Verhältnis zueinander war merklich abgekühlt.
    Alles um sie brach zusammen.
    Wie eine Made aus den Tiefen eines sauberen Mehlfasses kroch ein hässlicher Verdacht in ihr hoch. Dieses Dreigespann: der schmierige Anselm Korte, seine grässliche Tochter Gleitje, die seine Befehle ausführte, und Colard, der sich ihr und seinen Aufgaben immer mehr entzog. Er vertrat die Angelegenheiten des Hauses Cornelis beim Magistrat und im Rat der Zünfte, und er beriet sie auf seine nüchterne, zögerliche Art bei den Geschäften. Nur, was waren das für einfältige Ratschläge. Waren sie aus bester Absicht gegeben, oder …?
    Sie würde die Neuigkeiten nicht mit ihm besprechen, beschloss sie, denn sie konnte niemand anderen als seinen Schwiegervater verdächtigen, dass er Raub, Mord und Totschlag in Auftrag gegeben hatte. Colard würde das natürlich vehement bestreiten und sie für verrückt erklären, weil er mit seinem Schwiegervater womöglich

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