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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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Noordendam schaukelte sacht am Ende ihrer Ankerkette, De Haan und Ratter hatten sich auf der Nock postiert, und da an Schlaf ohnehin nicht zu denken war, hielt es die wenigsten Männer unter Deck. Etwa eine Meile vor ihrem Ankerplatz erstreckte sich Cap Bon als endloser grauer Sandstreifen, der zu einem leeren Horizont anstieg. Ohne Leben, so schien es De Haan, Totenstille. Nachdem die Motoren abgeschaltet waren, blieben nur noch das Plätschern der Wellen am Rumpf, der Regen auf Metall und das gemächliche Knarren der Ladebäume. In der Ferne ein schwaches, vom Wetter gedämpftes Knattern, das wieder aufhörte, es sich dann aber anders überlegte und eine kurze Zugabe gewährte. »Sie kämpfen«, sagte Ratter. Instinktiv hoben sie beide ihre Ferngläser an die Augen und starrten zum Horizont.
    »Siehst du was?«
    »Nein.« Dann: »Ich sehe das da.«
    Eine Leuchtrakete barst rot am Himmel und brannte auf ihrem Fallschirmflug zur Erde allmählich aus. Es folgte eine zweite, beide eindeutig weiter östlich, als sie nach De Haans Schätzung sein mussten. An Deck waren leise Zurufe zu hören. Die zweite Rakete war fast verloschen, als ein feuerroter Blitz aufflammte, gefolgt von einem dumpfen Krachen, das Sekunden später über das Wasser herübergrollte. Dann ein zweiter. Ratter zählte laut, als ginge es darum, die Distanz eines Gewitters anhand des Intervalls zwischen Blitz und Donner zu berechnen.
    »Da geht's wirklich zur Sache«, sagte De Haan und lauschte angestrengt in die Nacht. Der Kampf war als eine Abfolge kurzer, stotternder Geräusche zu hören, trocken und sehr leise, die anschwollen und verebbten. Und dann eine kräftigere Version, tiefer, nicht so schnell, die länger währte und in einem weiteren Blitz am Himmel endete. Von wegen lautlose Attacke. De Haan hatte ihre Messer gesehen und angenommen, ihr Gebrauch würde gegebenenfalls zu einer stillen Lösung führen, doch da hatte er sich getäuscht. Das schwere Maschinengewehrfeuer kam wieder, und diesmal dauerte es an, und durchs Fernglas konnte er Streifen fliegender Funken ausmachen. De Haan sah auf die Uhr, deren Sekunden ihm wie Minuten erschienen. Dann, nach ungefähr elf Minuten, war die Schlacht vorbei.
    03.05 Uhr. Kees war zu ihnen gekommen, sie steckten jetzt alle in Ölhäuten, Kapuzen auf dem Kopf, gegen den Wind wie den Regen. Keine Schaumkronen bis jetzt, doch die Wogen schlugen heftig gegen den Rumpf, und der Regen blies seitlich heran.
    »Müssten jeden Moment zurück sein«, sagte De Haan. Der Plan besagte, dass sie an den Strand zurückkehren und ein Leuchtsignal abfeuern würden.
    »Schon eine Stunde überfällig«, sagte Kees. »Bald wird's hell, und wir sitzen immer noch hier draußen fest. Ohne rechten Grund.«
    »Falls jemand auftaucht«, sagte De Haan, »reparieren wir ein Ventil.«
    »Oder den J-40«, sagte Ratter. Das sollte ein Witz sein. Der J-40-Adapter war eine alte Seemannsgeschichte: ein kleines Stahlgehäuse, von dem niemand sagen konnte, wofür es gut sein sollte, bis schließlich ein Koch eine Möhre hineinschob, an der Kurbel drehte und die Möhre in der Form einer Tulpenblüte wieder zum Vorschein kam.
    »Glauben Sie, die wissen, was in Bizerte los ist?«, fragte Kees.
    »Dann wären sie längst hier«, erwiderte Ratter.
    »Möglicherweise haben sie die Leuchtraketen gesehen, vielleicht sind sie auch über Telefon oder Funk benachrichtigt worden.«
    »Und wo sind sie dann?«
    »Na ja, bei den Franzosen weiß man nie.«
    Es war bereits 03.35 Uhr, als sie das Licht entdeckten. De Haan atmete erleichtert auf. »Endlich«, sagte er.
    Im nächsten Moment sagte Ratter: »Was treibt der da?«
    Sie starrten durch die Ferngläser. Das Licht war gelb und wurde in einem starken, von Regenschleiern verschwommenen Strahl gesendet – an, aus, an, aus. »Das ist kein Erkennungssignal«, sagte Ratter, »das sind Morsezeichen.«
    »Drei kurz, drei lang, drei kurz«, bemerkte Kees. »Also, für mich ist das ein S, ein O und noch ein S, und mir haben sie beigebracht, dass das save our souls heißt, rettet meinen Arsch.«
    »Ich brauch das Gewehr«, sagte De Haan zu Ratter. Und zu Kees, »Boot vier – holen Sie die Crew hier rauf und lassen Sie es zu Wasser.«
    »Du solltest nicht selber gehen«, erwiderte Ratter.
    De Haan wusste, dass er Recht hatte, und tat so, als überlegte er es sich.
    »Nein, ich muss selber da raus, und zwar sofort. Sag dem Signalgast, er soll ›Verstanden. Hilfe unterwegs‹ zurückmorsen.«
    De Haan eilte in

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