Die Stunde des Wolfs
Seite, Sie verstehen?«
Nach einem kurzen Moment nickte De Haan.
»Gut, dann wäre das geklärt. Also, Captain, ich bin hier, weil ich ein kleines Problem habe und Ihre Hilfe brauche.«
De Haan wartete. Er hatte ein mulmiges Gefühl.
»Die, ehm, Santa Rosa läuft, glaube ich, heute Nacht aus, nach Schweden. Sehe ich das richtig?«
»Nach Malmö, ja.«
»Natürlich, die offizielle Version. Und sehr diskret, um es einmal so zu sagen.«
»Mr. Brown, was wollen Sie?« Das war unverblümt und direkt und prallte einfach ab.
»Ein Freund von mir benötigt eine Passage nach Schweden rauf. Ich hatte die Hoffnung, dass Sie mir vielleicht den Gefallen tun würden, ihn mitzunehmen.«
»Ich kann mich nicht erinnern, dass davon etwas in meinen Anweisungen steht, vom NID.«
»Ach ja, der NID«, sagte Brown gänzlich unbeeindruckt. »Nein, vermutlich tut es das nicht. Dessen ungeachtet bitte ich Sie darum, und der NID braucht nichts davon zu wissen, falls es das ist, was Ihnen Sorgen macht. Er ist nur ein mickriger kleiner Mann, Sie werden gar nicht merken, dass er an Bord ist.«
»Und wenn ich Nein sage?«
»Sagen Sie Nein? Weil ich das an Ihrer Stelle nicht tun würde.«
»Und wieso nicht?«
»Tja, wieso eigentlich nicht«, sagte Brown, als ob er laut dächte. »Haben Sie einen Fiat bemerkt, der am Pier parkt?«
»Ja, habe ich.«
»In dem Wagen sitzen zwei Portugiesen. Ziemlich unscheinbar, nichts Besonderes an denen, außer dass sie sehr wichtig sind. Einflussreich, besser gesagt. Sie können zum Beispiel Ihr Schiff beschlagnahmen und Ihre Besatzung internieren, aber das wollen wir beide natürlich nicht, denke ich, mitten in unseren Kriegsanstrengungen. Sie müssen unbedingt nach Schweden, aber eine Seele mehr an Bord wird keinen Unterschied machen, bestimmt ist Platz für ihn.«
Selbstverständlich. Doch wenn er einmal tat, was Brown von ihm wollte, sagte ihm ein Gefühl, dann konnte es auch ein zweites Mal geben, und es würde nicht dabei bleiben. Und Brown würde nicht wagen, sein Schiff zu beschlagnahmen, seine Tätigkeit würde einen solchen Schritt nicht überleben. Also dann, sieh zu, dass du aus dem Wagen kommst.
»Sie haben doch nichts dagegen einzuwenden, einen Passagier mitzunehmen, oder?«
Der Unterton war schärfer geworden, das war kaum eine Frage, sondern eher eine Feststellung, und De Haan begriff, dass sie sich auf Maria Bromen bezog.
»Und ich gehe doch richtig in der Annahme, dass das Wohlergehen, ehm, sagen wir, eines gewissen Passagiers Ihnen am Herzen liegt?« Und hier in Lissabon, Freundchen, habe ich das Sagen.
»Ja, das tut es«, sagte De Haan.
»Ah, in diesem Fall haben wir also keinerlei Probleme.«
De Haan brauchte nur einen Moment, bevor er »Nein« sagte.
Brown nickte – hat doch noch immer funktioniert. »Sie helfen dabei, den Krieg zu gewinnen, Captain. Selbst wenn Ihnen sehr wenig erklärt wird, selbst wenn Ihnen die Art und Weise nicht gefällt, wie wir die Dinge da, wo ich herkomme, handhaben, helfen Sie. Wir müssen alle mit anpacken, wenn wir obsiegen wollen, ist es nicht so?«
»Wann trifft er ein?«
»Oh, das liegt ganz bei Ihnen, Captain. Wann wäre es Ihnen recht?«
»Vor neun, danach haben wir zu tun.«
»Ich sorge dafür, dass er da ist. Und wir sind Ihnen beide sehr dankbar, glauben Sie mir. Und, sollte ich wohl hinzufügen, falls Sie hier in Lissabon irgendwelche Schwierigkeiten haben, brauchen Sie uns nur Bescheid zu geben.« Er griff in die Jackentasche und reichte De Haan eine leere Karte, auf die eine Telefonnummer geschrieben war. »Das ist die britische Botschaft – die wissen, wie sie mich erreichen.«
De Haan kam, ganz wie von seinem Gegenüber beabsichtigt, der Gedanke, dass er jetzt einen Gefallen gut hatte, und er überlegte, ob er diesen Umstand für Maria Bromen nutzen konnte – ob er sie auf diese Weise sogar nach Großbritannien bekäme. Doch er spürte auch, dass er damit in ihrem Leben der Welt eines Mr. Brown Tür und Tor öffnen würde, und das unwiderruflich. De Haan steckte die Karte ein und stieg aus.
»Wiedersehen, Captain«, sagte Mr. Brown. »Und nochmals vielen Dank.«
20.35 Uhr.
Ein Paar Scheinwerfer bogen um die Ecke des Frachtschuppens und gingen aus, als der Wagen langsam am Ende des Piers zum Stehen kam.
21.30 Uhr.
Der Frachtschuppen war, von innen betrachtet, geräumig, mit einer fast zehn Meter hohen Decke. De Haan folgte in Begleitung von Kees und Kovacz Senhor Penha an Bergen von aufgetürmten Fässern und
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