Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht - Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht
erfreulicherer Anlass zusammengeführt.«
Hel spürte förmlich, wie man im Saal die Luft anhielt. Eine Weile ließ Palairon die unheilschweren Worte über ihnen hängen und blickte durch die Reihen. »Ihr habt alle von den Schiffen gehört, die abgestürzt sind.« Er beugte sich zu der Magierin an seiner Linken hinüber und murmelte etwas.
Die Frau erhob sich. Ohne Umschweife begann sie zu sprechen: »Das erste Schiff war die Adler . Die Überreste wurden am Rand ihres Jagdgebiets gefunden, in den Gebirgen von Warhall. Niemand hat überlebt. Darum haben wir leider auch keine Zeugen, die uns sagen könnten, was passiert ist. Allerdings haben Untersuchungen ergeben, dass die Rohre geborsten sind. So kam es wohl zu dem Unglück.
Ähnlich verhielt es sich mit der Eule . Auch die Eule jagte im Mittland, und zwar nur wenige Meilen von der Adler entfernt. Das Schiff zerschellte beim Absturz an den Klippen.
Das dritte Schiff, die Kranich , ist ebenfalls in den Gebirgen des Mittlands angegriffen worden. Unsere Schiffe konnten die Wrackteile nicht finden und haben die Suche bald wieder eingestellt, da sie in dieser Gegend zu gefährlich schien. Allerdings haben Zwerge berichtet, dass sie ein Schiff vom Himmel fallen sahen. Dann haben wir noch den Absturz eines vierten Schiffs, der Schwalbe , zu beklagen. Die Schwalbe war in der Nähe der Kauenden Klippen unterwegs. Auch hier haben wir keine Überreste gefunden.« Sie hielt kurz inne und warf dem Vorsitzenden einen nervösen Blick zu. Er nickte kaum merklich. »Nun, und heute Morgen … hat uns eine weitere bedauernswerte Nachricht ereilt. Auf dem Weg hierher ist die Habicht ...«
Der Rest des Satzes ging im Aufschrei der Menge unter. Mehrere Sturmjäger waren aufgesprungen und ließen sich nur mit viel Mühe von ihren Nachbarn beruhigen. Hel spürte das Blut durch ihre Schläfen pochen. Ein fünftes Schiff. Noch ein Absturz. Es hätte jedes andere Schiff treffen können, sie waren alle auf dem Weg nach Aradon gewesen.
»Die Untersuchungen laufen noch. Wir werden alle Informationen, die wir über die letzten Momente der Habicht
sammeln können, mit euch teilen«, sagte die Magierin leise. Dann streckte sie sich ein wenig und wurde lauter: »Die einzige Überlebende der Schiffe ist heute bei uns. Die Sturmjägerin Hel möge vortreten.« Sie wandte sich Hel zu. Aufmunternd wies sie in die Mitte der Halle.
Mit seltsam tauben Füßen stand Hel auf. Eher seitlich der Mitte blieb sie stehen, gefühlte zweihundert Blicke im Nacken.
»Vielleicht erzählst du uns, was sich auf der Schwalbe zugetragen hat«, hob Palairon behutsam an. »Wenn du so weit bist …«
Hel wollte sich räuspern, aber ihr Hals war plötzlich viel zu eng. Die Stille rieselte wie Staubflocken auf sie herab. Reiß dich zusammen, dachte sie. Schließlich hatte sie die Geschichte schon oft genug erzählt.
Irgendwie fand sie einen Anfang und wiederholte, was sie in den vergangenen Tagen immer wieder gesagt hatte: »Es war eigentlich ein ganz normaler Tag gewesen, wir waren ungefähr sieben Flugtage von Har’punaptra entfernt, als ich am Abend ein Funkeln im Land entdeckte, obwohl das Land sonst tot war …« Sie redete rasch und sah dabei ihre Schuhe an. Ihr fiel auf, wie abgetragen sie waren. An der Spitze war das Leder schon ganz hell und zerkratzt. Wie weit sie gelaufen war! Die Erinnerungen an die Wüste kamen ihr merkwürdig entrückt vor, als hätte sie es nicht selbst erlebt, sondern von jemandem erzählt bekommen. War das alles wirklich kaum zehn Tage her? Der flache Ozean aus Sonne und Glut, die Unendlichkeit zwischen den Horizonten, Mercurin. Die Nächte. Gemurmelte Worte. Keuchender Wind. Der Umhang, dieser Geruch …
»… und dann habe ich das Bewusstsein verloren.« Sie blickte auf. Die Magier sahen sie ausdrucklos an. Jedenfalls
konnte Hel keine Regung erkennen, vielleicht weil sie zu sehr in sich selbst versunken war. Wie lange hatte sie gesprochen? Sie warf einen ängstlichen Blick zu den Fenstern empor, aber ihre Sorge war natürlich übertrieben - es war nach wie vor Morgen. Oder hatte sie zu kurz geredet? Erwartete man mehr von ihr?
»Das ist alles«, schloss sie kleinlaut.
Irgendwo ächzten Sitzbänke. Sie war bestimmt viel zu leise gewesen. Niemand hatte sie verstanden.
Der Magier neben Meister Palairon faltete die Hände. »Du warst im abstürzenden Schiff und hast das Bewusstsein verloren. Und dann?«
Hel schluckte trocken. Der Frage war sie bis jetzt erfolgreich ausgewichen.
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