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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Toten auf. Man hatte die Kleine nackt ausgezogen. Blut tropfte ihr die Schenkel hinab.
    Gabriela ballte die Fäuste so fest, dass sich ihre Nägel tief in das Fleisch der Handflächen gruben. Von diesen Dingen hatte ihr Vater nie gesprochen, wenn er vom Krieg erzählte. Bei ihm hatte es nur kühne Reiter, tolldreiste Streiche und den Pulverrauch großer Schlachten gegeben. Dabei war er – zumindest eine Zeit lang – Offizier in der gefürchtetsten aller Plünderertruppen gewesen. Hatte er, Carolus Freiherr von Bretton, jemals an solchen Gräueltaten teilgenommen? War er am Ende vielleicht zu Recht verurteilt worden? Und war dies der Grund, warum er sich auf einen Bauernhof weitab in der wildesten Grenzprovinz zurückgezogen hatte?
    Nazli hatte sie vom Hof getragen und erklomm den flachen Hügel auf der anderen Seite des Tals. Die Bilder des Schreckens lagen hinter ihnen, und doch gingen sie Gabriela nicht aus dem Sinn. Immer wieder fragte sie sich, warum ihr Vater ihr nicht auch von dieser Seite des Krieges erzählt hatte. War es, weil er selbst als Schuldiger darin verstrickt gewesen war? Stand das ganze Bild, das sie sich von ihm gemacht hatte, auf Lügen? Gab es einen zweiten Carolus Bretton, der im Schatten des oft so melancholischen Mannes gestanden hatte, der ihr Vater gewesen war? Sie musste an seinen Bruder Hyazinth denken und den Speicher voller Geheimnisse, die der General nicht hinter sich zu lassen vermochte.
    Dumpfer Trommelwirbel fuhr Gabriela in den Magen. Der Banus hatte noch vor Morgengrauen zum Wecken blasen lassen. Sie selbst hatte in der Nacht den Regimentskommandeuren den Befehl überbracht, dass alle Truppen an der Flanke eines langgezogenen Hügels, der parallel zur Heerstraße lag, Aufstellung beziehen sollten.
    Die Dragoner auf ihren schweren Schlachtrössern bildeten eine Linie entlang der Straße. Sie hatten ihre Karabiner auf die Sättel aufgestützt und blickten zu den Kroatenregimentern auf der Hügelflanke.
    Wie Donnergrollen klang der Trommelschlag. Es lag eine fast greifbare Spannung in der Luft. Mehrere Offiziere hatten dem Banus in der Nacht davon abgeraten, die Plünderer vor versammelter Truppe hinrichten zu lassen. Doch Nádasdy weigerte sich nachzugeben. Auch den Vorschlag, die Männer nicht unter Waffen antreten zu lassen, lehnte er ab, obwohl eine offene Rebellion zu befürchten war.
    Wie immer hielt sich Gabriela schräg hinter dem Banus, sodass er sich nur umzudrehen brauchte, wenn er sie mit einer Order zu einem seiner Obristen schicken wollte. Die meisten Offiziere waren bei ihren Truppen. Nur der Stab hatte sich um den General versammelt.
    Gabrielas Blick wanderte über die Tausende, die in Reihen, wie mit dem Lineal gezogen, auf der Hügelflanke Aufstellung genommen hatten. Hinter den Soldaten standen in unübersichtlichen Grüppchen die Zivilisten, die das Armeekorps begleiteten, Fuhrleute und Hufschmiede, Marketender, Schuster und Sattler, aber auch die Weiber und Kinder der Soldaten. Über ihnen, auf der Kuppe, lag ein Birkenwäldchen. Bleich wie Knochen schimmerten die Stämme zwischen dem grauen Morgendunst, der aus dem Wald heraus langsam zur Straße hinunterkroch. In drohend dunklem Rot stand die aufgehende Sonne eine Handbreit über dem Hügelkamm und ließ die Wolken, die gleich zerfetzten Standarten über den Himmel zogen in der Farbe frisch vergossenen Blutes aufleuchten. Der Geruch von Pferdedung und zertretenem Gras zog über die schlammige Straße.
    Aus der Scheune des Gasthauses, wo sie unter strenger Bewachung die Nacht verbracht hatten, wurden die Plünderer von einer Eskadron abgesessener Dragoner herangeführt. Viele der Gefangenen waren verletzt und mussten sich auf ihre Kameraden aufstützen.
    Jenseits der Straße, auf der Seite, die dem Hügel gegenüberlag, waren etliche Lehnstühle in einer Reihe aufgestellt. Dorthin wurden die gefangenen Plünderer gebracht. Die Verwundeten, die sich nicht mehr aus eigener Kraft auf den Beinen halten konnten, wurden auf die Stühle gesetzt. Die anderen mussten strammstehen. Es hatte keine Gerichtsverhandlung gegeben. Jedem war klar, dass der Banus die Männer einfach füsilieren lassen würde. Mit etwas Abstand zu den Delinquenten wartete ein Trupp Dragoner mit verhängtem Zügel und blankem Pallasch. Jeden, der zu fliehen versuchte, würden sie gnadenlos niederreiten. Es waren niemandem Fesseln und Augenbinden angelegt worden. So gab der Banus den Plünderern Gelegenheit, im Tode ihre Ehre wieder

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