Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
Schließlich war allen bekannt, dass er mit seiner Comtesse in einem Monat Verlobung feiern wollte.
    Mit langen Schritten war er die Treppen hinaufgestürmt zu dem Musikzimmer im alten Turm. Als er die Tür öffnete, lag sie in den Armen des Feldmarschalls. Und sie trug das Schäferinnenkostüm wie an jenem Tag, als sie sich zum ersten Mal begegneten. Ihr Dekolleté war verrutscht, und der Comte küsste leidenschaftlich ihre Brüste. Einen Herzschlag lang hatten sie alle drei wie versteinert dagestanden. Er hatte überlegt, den Franzosen zum Duell zu fordern. Dann fiel sein Blick auf die Papiere, die auf dem Spinett am Fenster lagen. Es waren Zeichnungen von Festungsanlagen.
    Juliette hatte sich immer sehr für Festungen und für die Artillerie interessiert. Bretton musste an den Plan von Peterwardein denken, der einen Monat zuvor von seinem Schreibtisch verschwunden war. In dem Moment begriff er, dass Juliette ihn niemals geliebt hatte, und er zog blank. Der Comte hatte seinen Degen abgeschnallt. Seine Waffe lehnte außer Reichweite in einer Fensternische.
    De Bonneval versuchte zu erklären … Doch was bedeuteten seine Worte? Juliette aber griff nach den Plänen auf dem Spinett und floh. Sie war sehr schnell … Noch bevor er es verhindern konnte, war sie durch die Tür. Auch der Feldmarschall versuchte zu entkommen. Am liebsten hätte er ihn getötet, den Schurken! Doch er war beherrscht genug gewesen, ihm seinen Degen nur durch das Bein zu stoßen. Dann hatte er die Tür des Musikzimmers versperrt und war Juliette gefolgt. Sie hatte das Pferd im Hof genommen. Ihr Vorsprung war nur gering. Auch er war in den Sattel gesprungen, und als er durch das Torhaus des Anwesens preschte, konnte er sie weniger als eine halbe Meile entfernt auf den Wald zureiten sehen.
    So als habe sie seinen Blick gespürt, drehte sie sich um. Noch fester klammerten sich die Finger des alten Generals um den Stock in seiner Hand. Seine Knöchel knackten wie dürre Äste. Hätte sie sich doch nur nicht nach ihm umgesehen! So bemerkte sie den dicken Ast nicht, der tief über dem Waldweg hing. Er traf sie am Kopf und sie stürzte vom Pferd.
    Wie der Teufel war er über die Wiesen gejagt, um zu ihr zu eilen. Als er sie erreichte, lebte sie noch. Ein dünner Faden Blut tropfte ihr vom Ohr auf die schneeweißen Schultern. Sie blickte starr in den wolkenlosen Sommerhimmel, und doch erkannte sie ihn noch, als er sich über sie beugte. Niemals würde er ihre letzten Worte vergessen: »Verzeih, mein Geliebter. Er bedeutete mir nichts … Es geschah nur, weil ich deinen Namen nicht mit meinem Verrat beschmutzen wollte. Dir hat meine Seele gehört, doch mein Herz habe ich der Krone Frankreichs verpfändet und …« Sie vollendete diesen Satz nicht mehr.
    Bis zum Sonnenuntergang saß er neben ihr am Waldrand und vertrieb jeden, der sich ihm nähern wollte. Dann trug er sie zum Herrenhaus. Sie wurde in jenem Zimmer aufgebahrt, in dem sie so viele Stunden gemeinsam verbracht hatten. Am nächsten Morgen verbrannte er die Festungspläne, für die sie ihr Leben gegeben hatte. Dann ließ er den Feldmarschall frei. Hätte er ihn angeklagt, so wäre auch ihr Name in den Schmutz gezogen worden … Und wie die Zeit zeigte, hatte es seiner nicht bedurft, um diesem Halunken das Genick zu brechen.
    Vom Hof unter dem Fenster ertönte dumpfer Hufschlag. Eine schwarze Gestalt mit dem Kolpak der Husaren ritt zum Tor. »Meine Gebete sind mit dir, meine Närrin«, flüsterte er mit halb erstickter Stimme.

8. KAPITEL
    Nachdem sie sich im Hauptquartier des Generals zurückgemeldet hatte, wurde Gabriela zur Inspektion des Dragonerregiments Althann abkommandiert, das in den Dörfern um Sternberg Quartier bezogen hatte.
    Es war ein grauer Dezembermorgen, als sie Nazli sattelte und sich mit dem Veterinär Brinkmann auf den Weg machte. Der Tierarzt war ein kleiner, verschnupfter Mann, der in seinem viel zu großen Mantel schier zu versinken schien. Er hatte seinen Dreispitz tief ins Gesicht gezogen. Um sich vor dem Wind zu schützen, hatte Brinkmann einen Schal wie ein Kopftuch über seine Ohren gebunden und unter dem Kinn zusammengeknotet. Den ganzen Weg über fluchte er leise vor sich hin, dass man ihn bei diesem Sauwetter vor die Tür geschickt hatte, und tröstete sich immer öfter mit einem tiefen Schluck aus der Feldflasche, die an seinem Sattelknauf hing. Brinkmanns Mantel war abgewetzt und speckig. Weiße Schlieren an seinen Ärmelaufschlägen wiesen ihn als einen Feind

Weitere Kostenlose Bücher