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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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einem weiten Satz sprang sein Schimmel über einen Trümmerhaufen auf der Straße. Gabriela rief ihn an, doch er beachtete sie nicht. Die breite goldene Bauchbinde des Offiziers war von Blut verschmiert. In halsbrecherischem Tempo jagte er den Königsweg zur Burg hinauf.
    Als sie die Gasse passierte, aus der der Reiter gekommen war, hörte sie laute Befehlsrufe. Es wimmelte vor Menschen zwischen den Häusern. Einen Herzschlag lang überlegte sie, ob sie nachsehen sollte, was geschehen war … Doch sie hatte einen Befehl. Sie musste das Unwetter nutzen, um aus der Stadt zu entkommen und die preußischen Linien so weit wie möglich hinter sich zu lassen. Sie konnte es sich nicht leisten, Zeit zu verlieren.
    Je näher sie der Karlsbrücke kam, desto höher stand das Wasser in den Straßen. Die Moldau musste über die Ufer getreten sein. Überall irrten Menschen umher. Ein kleiner Junge war auf den Rücken eines steinernen Löwen geklettert, der vor der Tür eines prächtigen Bürgerhauses stand, und rief lauthals nach seiner Mutter.
    Plötzlich übertönte schrilles Pfeifen das Geschrei. Ängstlich drückten sich die Menschen gegen die Häuserwände. Nazli scheute und stieg. Keine fünf Schritt vor der Stute schoss fauchend eine Fontäne aus dem Wasser auf. Die Dächer auf der linken Straßenseite zerbarsten in ohrenbetäubendem Lärm. Schiefersplitter wirbelten durch die Luft. Gabriela riss die Arme hoch, um ihr Gesicht zu schützen. Als die Husarin die Arme vom Gesicht nahm, sah sie zwei blutige Schrammen am Hals der Stute.
    Eine der Kanonenkugeln hatte den steinernen Löwen enthauptet. Von dem Jungen war nichts mehr zu sehen. Knirschend neigte sich der getroffene Dachfirst der Straße entgegen. Gabriela gab Nazli die Sporen. Sie musste hier fort, musste entkommen! Sie allein hatte es in der Hand, dieses Massaker zu beenden, wenn es ihr gelang, Feldmarschall Daun davon zu überzeugen, dass er sofort aufbrechen musste, um der belagerten Stadt zu Hilfe zu eilen.
    Verzweifelt drängte sie ihr Pferd durch die Scharen der Flüchtlinge, die den höher gelegenen Stadtteilen entgegenstrebten. Auf den Stufen eines Hauses lagen Tragen mit Schwerverletzten. Nur zwei Finger breit stand das Wasser unter dem Mann auf der untersten Stufe. Gabriela dachte an das Kellergewölbe, in dem sie mit Lieutenant Somogy gewesen war. Das Haus hatte direkt am Flussufer gestanden. Der Keller war jetzt sicher bis zur Decke voll Wasser gelaufen.
    Brennende Trümmer stürzten neben ihr auf die Straße. Zischend stieg heißer Wasserdampf aus den braunen Fluten. Glühende Funken versengten ihr Gesicht. Eine ertrunkene Katze trieb an ihr vorbei.
    Hoch am Himmel explodierte eine Mörsergranate und tauchte die Gasse einen Lidschlag lang in rotoranges Licht. Klirrend schlugen Splitter über ihr in die Hauswand. Einige Flüchtlinge stürzten. Die meisten standen wieder auf.
    Am Ende der Straße konnte sie die Kleinseiter Brückentürme mit ihren steilen Giebeldächern erkennen. Wieder tauchten feurige Blumen den Himmel in blutrotes Licht. Sie musste weg von hier! Nazli war völlig verstört. In Panik bahnte sich die Stute ihren Weg zum Brückentor. Die Flüchtlinge sprangen vor ihr zur Seite. Einige fluchten lauthals. Ein Soldat stürzte der Länge nach ins Wasser, als er ihr auszuweichen versuchte.
    Endlich erreichte sie die schützende Wölbung des Torbogens. Ein Grenadierlieutenant mit zerzauster weißer Perücke rief ihr etwas zu, doch seine Worte gingen im Donner einer weiteren Kanonensalve unter.
    Sie preschte auf der Brücke mit all ihren steinernen Heiligen. Gabriela hieb Nazli die Sporen in die Flanken und trieb sie geradewegs auf das gemauerte Geländer zu. Ein Satz … Einen Moment lang stürzten sie. Die Husarin spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Dann tauchten sie ins Wasser ein. Die Flut riss sie herum und drückte sie nach unten. Mit eisiger Faust griff der Strom nach ihr. Sie presste die Schenkel zusammen und spürte, wie Nazli verzweifelt strampelte, um wieder nach oben zu kommen. Glühende Nadeln stachen in Gabrielas Lungen. Endlose Marter, sie wollte atmen, leben, doch der Fluss schien sich auf Seiten der Preußen geschlagen zu haben. Dann tauchten sie wieder auf. Gierig sog Gabriela die kalte Luft ein. Der Schatten der Brücke glitt über sie hinweg. Die reißende Strömung trieb sie nach Norden, geradewegs auf das Ufer zu. Keine fünfhundert Schritt weiter vorne machte die Moldau einen scharfen Knick nach Osten. Sie durften dort

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