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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Bescheidenheit. Was Sie gestern vollbracht haben, ist eine wahre Heldentat. Sie sind durch die preußische Hauptlinie durchgebrochen. Wären Sie von der anderen Seite der Stadt gekommen, hätten Sie es leichter haben können. Ach … ehe ich es vergesse.« Er zog ein breites Lederrohr mit bronzenen Verschlüssen aus seinem Gürtel. »Ein Geschenk des Feldmarschalls an Sie.«
    Gabriela zögerte.
    »Nun nehmen Sie schon!« Der Lieutenant grinste spitzbübisch.
    »Was ist das?«
    »Machen Sie es doch auf.«
    Sie drehte an einem der Verschlüsse. Als sie die Rolle geöffnet hatte, kam ein schlankes, ausziehbares Fernrohr aus Messing zum Vorschein.
    »Der Feldmarschall meinte, das nächste Mal sollten Sie Gelegenheit haben, die Stellungen der Feinde besser zu observieren, denn Glück sei ein kostbares Gut, das man nicht zu oft auf die Probe stellen sollte.«
    Gabriela spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. »Sprechen Sie ihm meinen Dank aus und … «
    Somogy winkte ab. »Tun Sie das lieber selbst, Kamerad. Vielleicht werden wir den Prinzen noch treffen. Er hat mich beauftragt, Ihnen die Stadt zu zeigen, damit Sie sich ein Bild von der Lage machen und dem Feldmarschall Daun persönlich schildern können, wie dringend wir Entsatz brauchen.« Der Lieutenant sah zu einem der Fenster hinüber. »Sie haben Pech. Es gibt wahrhaft bessere Tage, um sich Prag anzusehen. Ich werd einen Übermantel für Sie bringen lassen. Es gießt wie aus Kübeln.«
    Dumpf erbebte die Gewölbewand. Feiner Kalk rieselte von der Decke. Somogy hob die Laterne, sodass Gabriela besser sehen konnte. Das Ende des Kellers verlor sich in Schatten. Der Boden war mit Stroh bestreut. Dutzende Kranker und Verwundeter lagen entlang der Wände. Viele hatten nicht einmal eine Decke, sondern mussten sich in ihre schmutzigen Feldmäntel wickeln. Es stank nach brandigem Fleisch und Exkrementen. Die meisten Männer waren zu apathisch, um auch nur aufzublicken, als sie beide an ihnen vorübergingen.
    »Viele haben sich ein Fieber geholt … « Der Lieutenant senkte die Stimme. »Wir hatten auch schon einige Fälle von Cholera. Die Männer wurden von den Stabsärzten isoliert. Die Preußen sollen nicht wissen, wie schlimm es um uns steht. Täglich sterben hundert allein an Krankheit und Erschöpfung. Ganz zu schweigen von denen, die das Wundfieber dahinrafft oder die auf den Tischen der Feldscher ihr Leben lassen. Es gab tagelang in der Stadt Brände. Erst seit dem Regen ist es besser geworden. Unsere Vorräte sind erschöpft. Die Rationen bis zum Äußersten gekürzt. Wenn nicht binnen drei Wochen der Belagerungsring zerschlagen wird, dann müssen wir kapitulieren.«
    Gabriela hatte den Blick gesenkt. Was sollte sie zu all dem Elend auch sagen? Und würde sie Daun davon überzeugen können, gegen den Preußenkönig zu marschieren? Ihm unterstand die letzte Armee, die Österreich noch geblieben war. Wenn er geschlagen wurde, konnte nichts mehr den Fritzen daran hindern, geradewegs nach Wien zu marschieren.
    Der Mann, der direkt vor ihr lag, schlief. Sein Kopf war weit in den Nacken zurückgebogen. Sein Mund stand offen. Es war ein Füsilier mit schmutzig weißer Uniform. Er hatte seinen rechten Fuß verloren. Der Stumpf war in blutige Lumpen gewickelt. Schwarze Kakerlaken krochen über den Verband. Gabriela kniete nieder, um die Tiere zu verscheuchen. Überall in dem fauligen Stroh kroch Getier herum. Resigniert blickte sie in das Gesicht des Verletzten. Er schien von alldem nichts bemerkt zu haben. Seine Wangen waren von strohblonden Bartstoppeln gesprenkelt. Der Schnauzer über seinen Lippen noch dünn und … Gabriela zuckte mit einem Schrei zurück. Ein großer, feucht schimmernder Käfer kam aus dem linken Nasenloch des Verletzten gekrochen.
    Somogy stieß mit dem Stiefel gegen den blutigen Stumpf des Verletzten. Der Mann rührte sich nicht. »Hat’s hinter sich.«
    Gabriela keuchte. Ihr war übel. Fest presste sie die Lippen aufeinander. Sie hatte das Gefühl, sich jeden Moment erbrechen zu müssen. Der Lieutenant gab ihr einen Klaps auf die Schulter. »Geh’n wir. Das hier ist kein Platz für die Lebenden.«
    Wieder ließ ein Treffer das Gewölbe erzittern. Der Grenadier, der neben dem Toten lag, zog seinen Uniformrock über den Kopf und begann leise zu wimmern.
    Somogy bedachte den Mann mit einem kalten Blick. »Feigling«, murmelte er verärgert. »Einer wie der sollte nicht den Rock der Kaiserin tragen dürfen.«
    Wortlos folgte Gabriela dem

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