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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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das Schlachtfeld blickte. Der Kerl war nicht annähernd so groß, wie Gabriela erwartet hatte, und … er trug einen Rock!
    »Sir?«
    Der Mann am Fenster drehte sich langsam um. »Endlich jemand, der weiß, wie man einen Gentleman anzusprechen hat!«
    »Sir!« Gabriela stürzte vor und schloss den Schotten in die Arme. »Was in Gottes Namen machst du denn hier? Ich dachte, du marschierst irgendwo mit den Franzosen im Rheintal.«
    Der Schotte schnaubte verächtlich. »Franzosen! Erst war meine Stelle beim Regiment mit irgendeinem Schnösel besetzt worden, weil ich mich angeblich nicht rechtzeitig zurückgemeldet hatte, dann hat man mich als Offizier zu einem Haufen grüner Rekruten aus einem Infanterieregiment abkommandiert und zuletzt wollten sie mich wahrhaftig in die Neue Welt schicken, damit ich unter General Montcalm gegen den roten Wolf kämpfe. Das war nichts für Mutters Sohn! Erst wochenlang auf einem Schiff herumsitzen, um dann monatelang durch Wälder zu marschieren, die keinen Anfang und kein Ende haben! Da hab ich kurzerhand mein Bündel geschnürt, mir Urlaub genommen und mich verdrückt. Ich dachte mir, schlechter kann ich’s bei dir auch nicht treffen.« Er runzelte die Stirn und drehte ihren Kopf zu Seite. »Wenn ich dich recht betrachte, hast du dich wahrlich nicht verändert, seit wir uns das erste Mal getroffen haben. Tüchtiger Schlag, hmm … «
    Gabriela strich über ihre geschwollene Wange. Selbst die leiseste Berührung schmerzte. »Das war ein Pallasch. Aber lieber den Korb ins Gesicht als die Klinge aufs Haupt. Doch sag, wie kommst du hierher mitten ins Hauptquartier des Generals?«
    Sir stieß einen tiefen Seufzer aus. »Das ist eine lange Geschichte und sie hätt mir beinah auch einen langen Hals eingebracht. Bevor ich dir das erzähle, muss ich mir erst die Kehle anfeuchten … «
    Gabriela blickte zu dem kleinen Tisch neben der Tür, auf dem Essen und eine Flasche Wein standen, doch Sir schüttelte energisch den Kopf. »Oh nein! Wir trinken etwas Richtiges! Schließlich müssen wir unser Wiedersehen feiern!« Er bückte sich nach einem Bündel, das auf dem Bett lag, und zog daraus die silberne Flasche hervor, die Gabriela noch von ihrem ersten Treffen in guter Erinnerung war.
    »Geht dein Vorrat denn niemals zur Neige?«
    Der Schotte nahm einen tiefen Schluck, stieß einen zufriedenen Seufzer aus und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Beim Wanste Satans! Es gibt nichts Besseres als einen echten schottischen Whisky. Den ganzen letzten Winter hab ich in einer Kaserne gesessen. Da war reichlich Zeit, mich als Braumeister zu versuchen. Ich sag dir, davon wachsen einem … «
    »Ich erinnere mich!« Gabriela griff nach der Flasche. »Auch wenn ich einen Mann spiele, brauche ich keine Haare auf der Brust.« Misstrauisch schnupperte sie am Flaschenhals. »Ich hoffe, von dem Zeug wird man nicht blind … «
    »Willst du mich beleidigen?«, grollte der Schotte finster.
    Statt einer Antwort nahm auch Gabriela einen tiefen Schluck.
    Einen Augenblick musterte sie Sir, so als warte er auf etwas. Dann schüttelte er den Kopf. »Du hustest ja gar nicht mehr nach dem Trinken. Zum Henker, ich glaub, du wirst wirklich noch ein echtes Mannsbild werden, wenn du so weiter machst.«
    Gabriela wusste nicht recht, ob sie sich über die Bemerkung des Schotten freuen sollte. Einen Moment lang herrschte Schweigen. Vom Schlachtfeld ertönte die verlorene Stimme eines Sängers. Dann fiel ein Zweiter ein und ein Dritter folgte. Immer lauter scholl das Lied in die Nacht. Gabriela blickte durch das Fenster zum Himmel. Es war eine klare Nacht. Das Firmament schien ihr wie eine gewaltige, düstere Kirchenkuppel. In ihrer Brust tobte plötzlich ein wilder Schmerz, für den sie keinen Namen fand. Sie trat ans Fenster und stimmte in den ambrosianischen Lobgesang ein, der aus tausend rauen Kehlen zum Himmel stieg.
    Sir blieb schweigend an ihrer Seite.
    Als der Choral beendet war, fühlte sie sich erleichtert und ein klein wenig verlegen. So hatte sie noch nie gesungen. All ihren Schmerz und ihre Ängste hatte sie in das Lied gelegt …
    Sir schnäuzte sich. »Junge, das war aber feierlich!«
    Sie lächelte still. Dann hob sie den Kopf und sah ihn lange an. Es war gut, ihn wieder an ihrer Seite zu haben. Einen Menschen, dem sie vertraute und mit dem sie all ihre Geheimnisse teilen konnte. »Du wolltest mir erzählen, wie es dich in das Quartier meines Generals verschlagen hat … «
    Der Schotte ließ sich

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