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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Hyazinth Freiherr von Bretton den Empfangssaal der Kommandantur betrat, herrschte dort eine stickige Hitze wie an einem schwülen Spätsommertag. Man hatte die Fenster des Hauses geschlossen, damit der Wind den Regen nicht hineintrieb. Der muffige Geruch von nassen Kleidern und altem Schweiß hing gleich einem unsichtbaren Nebel über der Gesellschaft, und die Stimmung der Gäste war auf dem Tiefpunkt angelangt. Die Frauen jammerten über ihre ruinierten Frisuren. Wasser, das von den Perücken tropfte, fraß sich in einem Netz von dunklen Kanälen seinen Weg durch weiß gepuderte Gesichter.
    Auf Anweisung des Generals wurden die Tische vom Hof in das Haus geschafft. Doch da der Platz bei weitem nicht für eine so große Gesellschaft reichte, musste man einen Teil der Tafeln sogar in den Gästezimmern und dem ihm heiligen Kartenraum aufstellen. Während er eine Abteilung Sappeure in Paradeuniform dabei beaufsichtigte, wie sie in verschiedenen Räumen neue Gasttafeln aufbockten, fegte ein Rudel ausgelassener Schoßhunde an ihm vorbei, die von einem feisten Mops angeführt wurden, der irgendwo eine gebratene Wachtel aufgetrieben hatte, obwohl noch kein Essen aufgetragen worden war.
    Ein in Erz gegossenes Lächeln auf den Lippen, bemühte sich von Bretton, die von ihm ersonnene Sitzordnung wenigstens in Ansätzen zu verwirklichen, doch bald schon musste er einsehen, dass bei dem herrschenden Durcheinander jeglicher Kampf um Ordnung zum Scheitern verurteilt war. Der einzige Sieg, den er davontrug, bestand darin, Magister Gregorius, der plötzlich auftauchte und offenbar in der Laune war, sich zu streiten, davon abzuhalten, am selben Tisch wie der Erzbischof Platz zu nehmen.
    Mit fast zwei Stunden Verspätung wurde schließlich die Suppe serviert, die den meisten der Gäste jedoch nur noch lauwarm aufgetischt werden konnte, da der Weg von den Kochkesseln in der Stellmacherei bis zu den entlegeneren Tischen in der Kommandantur mehr als viermal so weit wie ursprünglich kalkuliert war.
    Während ihm ein unziemlich im Stehen seine Suppe schlürfender Astrologe, der im Gefolge irgendeines böhmischen Adligen angereist war, gerade erklärte, warum die Minute der Geburt jedem Menschen das Schicksal bestimmte, beobachtete von Bretton, wie der fette, mit Seidenschleifen geschmückte Mops, der ihm schon früher aufgefallen war, mit gähnender Gelassenheit einen großen Hundehaufen unter den Treppenabsatz setzte. Während der Astrologe mittlerweile mit Begeisterung über seine große Zeit am Hofe Augusts des Starken schwadronierte, fragte sich von Bretton, unter was für einem Unglücksstern er wohl geboren sein mochte.
    Ein Teil der Gäste, die wie Magister Gregorius oder auch Baron zu Gewitsch, ihre Bequemlichkeit über die Etikette stellten, hatte sich der nassen Gehröcke und Perücken entledigt, um mit hochgekrempelten Ärmeln das Bankett zu begehen. Die ihrer Würde bewussteren, wie der Erzbischof und der Geheime Rat Schnitter, bedachten diese gesellschaftlichen Marodeure mit finsteren Blicken und spitzen Kommentaren. Erst der süffige Moselwein, der zum zweiten Gang gereicht wurde, beruhigte die Gemüter ein wenig.
    Von Bretton war noch nicht dazu gekommen, sich an einem der Tische niederzulassen, geschweige denn auch nur einen Bissen zu Munde zu führen. Sein Magen schien ihm zu einem faustgroßen Klumpen geschrumpft zu sein, aus dem glühende Nadeln in seine Eingeweide stachen. Selbst wenn er die Ruhe gefunden hätte, sich niederzulassen, wäre es ihm unmöglich gewesen zu essen. Zu seiner Erleichterung schien zumindest dem Kronprinzen das ganze Malheur großen Spaß zu bereiten. Der Thronfolger hatte seine Perücke über die Stuhllehne gehängt und stocherte gerade kichernd in seiner Wachtel herum, als von Zeilitzheim mit Grabesmiene an die Seite des Kommandanten trat.
    »Herr General, bitte folgen Sie mir«, flüsterte er in einem Tonfall, der das Schlimmste befürchten ließ.
    Der Fähnrich blickte zu dem Tisch, an dem die Gräfin Uhlfeld, die Gattin des Wiener Hofkanzlers, Platz genommen hatte. »Reden wir nicht hier. Die Angelegenheit erfordert allergrößte Diskretion. Ich bitte Sie, kommen Sie mit mir nach oben, Herr General.«
    Mit klopfendem Herzen stieg der Kommandant hinter dem jungen Offizier die Treppen hinauf und wurde von ihm schließlich an der Kapelle vorbei ins Kartenzimmer geführt. Dort hatten sich der Bürgermeister von Olmütz und einige auserwählte Mitglieder des Stadtrates an einer kleinen Tafel

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