Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin
Träumen auszumalen vermocht. Die Feuerlanzen machten fast keinen Lärm, während sie abbrannten, sodass man die Trompeten, Pauken, Hörner, Querpfeifen, Oboen, Krummhörner und Fagotten der Kapelle gut hören konnte.
Eine weitere Batterie von Feuerlanzen wurde gezündet. Diesmal brannten sie in schneeweißem und tiefgrünem Licht. Auf allen vier Seiten des Floßes stiegen zypressenartige Flammensäulen in die Luft. Arkaden aus Funken sprühten über die Terrassen der Aufbauten und wurden vom träge dahinfließenden Wasser der March gespiegelt. Gegeneinander verschränkte Feuerlanzen, die gleichzeitig auf allen Flößen entflammten, zeichneten Torbögen und Hallen aus Licht in den Himmel.
Zwischen all dem Licht sah Gabriela auf dem Gerüst des Pyramidenfloßes Gregorius und seine Gehilfen. Gleich Hephaistos, dem antiken Schmiedegott, und seinen Zyklopen schienen sie ihre Arbeit inmitten von Flammen zu verrichten. Gabriela beobachtete, wie sie am Aufbau auf- und niederkletterten, und es schien, als seien sie überall zugleich, um neues Feuerwerk zu entzünden. Sie waren ganz nackt, hatten jedoch ihre Körper mit einer schwarzen Glasur überzogen, die sie vor den Flammen schützte. Ihre Haare waren von wassergetränkten roten Turbanen verhüllt, auf denen jeder Funke verlosch. Aus der Ferne sahen sie ein wenig wie Teufel aus. Nur Magister Gregorius stach unter ihnen hervor, denn er trug als Einziger eine goldbronzene Sonnenmaske.
Als das Orchester schließlich verstummte, begann das Finale der Vorstellung. Wie die Granaten von Mörsern stiegen Raketen von den vier kleineren Flößen auf, um dicht über der schwimmenden Pyramide mit infernalischem Getöse zu explodieren. Gregorius hatte Gabriela verraten, dass man mehr Kohlenstaub ins Pulver mischen musste, wenn man einen solchen Lärm erreichen wollte. Sogleich antwortete das hölzerne Olmütz mit einer zweiten Salve aus Kanonenschlägen, die dicht über dem Wasser vor den Schanzen explodierten.
Immer mehr Feuerlanzen und Böller zischten zwischen den Flößen hin und her, sodass es schließlich aussah, als würde der Fluss selbst in Flammen stehen. Nach Schwefel stinkende Rauchwolken trieben über das Wasser, und manche der Damen auf der Ehrentribüne fächerten sich mit parfümierten Tüchlein Luft zu, während die Männer einander mit leuchtenden Augen zuraunten, dass es wie auf einem Schlachtfeld rieche.
Plötzlich erklang die Stimme des Erzbischofs. »Das ist eine impertinente Frechheit! Dieser Heidenbastard verhöhnt die Kirche!« Gabriela sah, wie der hölzerne Wenzelsdom auf dem Floß in hellen Flammen brannte. Das war gewiss kein Unfall gewesen! Noch bevor sie sich weitere Gedanken machen konnte, zündeten in einer wahren Kakophonie Hunderte von Böllern und Sprühern auf der Pyramide und fast im selben Augenblick explodierte eines der vier Flöße. Ein ängstliches Raunen ging durch die Menge, während noch immer Feuerfontänen über das Wasser zischten. Dann explodierten auch die drei anderen kleinen Flöße. Offenbar gehörte dies zum Spektakel. Platschend stürzten brennende Trümmer in die Fluten des Flusses, während das Orchester einen Triumphmarsch anstimmte. Tausendfacher Jubelruf tönte von den Ufern. Gabriela sah ihren Onkel zufrieden lächelnd neben dem Prinzen stehen. Zumindest für diese Nacht war das Gedenken an die schmachvolle Kapitulation der Stadt vor dem Feldmarschall Schwerin ausgelöscht.
Eine Salve von Raketen ließ glühende Blumen am Himmel erblühen. Dann regierte erneut die Finsternis, bis mit einem Donnerschlag eine Rakete, die wie ein geflügelter Engel aussah und die von innen heraus glühte, in die Höhe stieg, um schließlich mit einem Knall zu tausend leuchtenden Sternen zu zerbersten.
Vier Feuerschalen entflammten. Auf der oberen Plattform der schwimmenden Pyramide erschien Magister Gregorius, das Gesicht noch immer hinter der goldenen Sonnenmaske verborgen. Mit lauter Stimme rief er: »Kinder der Nacht, Ihr mögt nun eurer Wege ziehen. Das Schauspiel ist beendet!«
Lange Zeit schienen Jubel und Applaus für das Spektakel nicht enden zu wollen. Schließlich waren es die Ehrengäste auf der Tribüne, die sich als Erste erhoben. Irgendwo erklang eine Frauenstimme. »Cäsar? Cäsar! Hat jemand meinen Hund gesehen?«
Der Abend war kühl geworden. Gabriela zog sich ihre Stola über Schultern und Kopf. Noch immer rief die Frau nach ihrem Hund, während sich der Großteil der Gäste langsam in Bewegung setzte. In der
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