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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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versammelt. Nie zuvor hatte Gabriela so viele Adlige, Kirchenfürsten und Offiziere an einem Ort zugleich gesehen. Es waren sogar noch mehr als beim Festmahl am Nachmittag, denn bis zur Abenddämmerung kamen noch etliche weitere Gäste von nah und fern hinzu.
    Noch beeindruckender aber war die Menschenmenge, die sich entlang der Ufer der March eingefunden hatte. Es mussten Tausende sein, die ihre Dörfer und Höfe verlassen hatten, um dem Jahrhundertspektakel beizuwohnen.
    Magister Gregorius hatte in einer weiten, geschwungenen Kette wohl an die hundert winzige Flöße auf dem Fluss verankern lassen, wovon jedes einzelne kaum zwei Ellen lang war. Auf jedem der Flöße stand eine abgedeckte Schale aus Weißblech, die mit einem schweren tönernen Deckel verschlossen war. Auch auf den Brüstungen der Schanzen und Forts, die zum Fluss hin lagen, waren solche Schalen aufgestellt worden. Insgesamt waren es mehr als tausend. Über jeweils drei dieser Schalen wachte ein Soldat der Festung.
    Als der letzte Glanz des Abendschimmers am Horizont verblasste und ein sichelförmiger Türkenmond hoch am wieder wolkenlosen Himmel stand, winkte der General einem Offizier auf den Wällen zu, und ein einzelner Kanonenschuss wurde abgefeuert. Das war das Signal für die Soldaten auf der Mauer, die Deckel der geheimnisvollen Schalen zu lüften. Zugleich öffneten Kinder aus der Stadt und den umliegenden Dörfern, die für den Lohn einer Kupfermünze im noch kalten Wasser der March ausgeharrt hatten, die Schüsseln auf den Flößen. Über jedem der Gefäße erhob sich sogleich eine leuchtende, himmelblaue Flamme, und ein Raunen lief durch die Ränge auf der Adelstribüne und setzte sich entlang der Ufer fort, denn nirgends hatte man jemanden Funken schlagen sehen, um diese verzauberten Lichter zu entzünden. Gabriela lächelte, denn schon vor Wochen hatte sie Zeugin dieses Wunders werden dürfen, als Magister Gregorius ihrem Onkel eine Probe seiner Kunst geliefert hatte. In den Schalen befand sich eine Mischung aus Mehl und mineralischem Alaun, die sich an der Luft selbst entzündete.
    Gabriela sah zu ihrem Onkel, der mit einer goldenen Uhr in der Hand neben dem Kronprinzen stand. Das Publikum am Fluss begrüßte indessen das Feenfeuer, das in der Dunkelheit über dem Wasser zu schweben schien, mit stürmischen Jubelrufen.
    Wie eine schwimmende Stadt erhob sich das Hauptfloß in der Mitte des Stroms. Erst am Vortag war es endgültig fertig geworden. Die hölzerne Pyramide erhob sich in drei Stufen zu einer Höhe von fast neun Metern. Kunstvoll bemalte Aufbauten erzeugten die Illusion, dass sich auf dem schwimmenden Berg aus Holz ein zweites, kleineres Olmütz erhob. Die vier kleinen Flöße, die in die vier Himmelsrichtungen verstreut rings um den Hauptbau schwammen, sahen wie Erdschanzen aus, die zur Belagerung errichtet waren.
    So plötzlich die blauen Lichter entflammt waren, verlöschten sie alle gleichzeitig wie durch Zauberhand. In der Finsternis sah Gabriela, wie der Schatten ihres Onkels sich zum Kronprinzen herabbeugte. Ein roter Funken glomm im Dunkel, das Zischen einer Zündschnur erklang und, gleich einer roten Schlange, wand sie sich von der Tribüne herab, um eine Rakete zu entzünden. Mit langem Feuerschweif stieg diese in den blauschwarzen Himmel, um in hundert golden glühenden Funken zu zerbersten. Das war das Signal für die Festungsartillerie. Alle Geschütze waren zu den Bastionen am Flussufer gebracht worden und wurden nun auf einmal abgefeuert. Wie Drachenzungen leckten die Mündungsfeuer in die Nacht, während ein Lärm gleich hundert Donnerschlägen über das Publikum hinwegrollte. Gleichzeitig explodierten hoch über ihren Köpfen papierene Kugelgranaten, die von der Mörserbatterie verschossen wurden, zu Sternen aus gleißendem Licht. Doch dies alles war nur der Auftakt zum eigentlichen Feuerwerk. Als der Kanonendonner verhallt war, lag eine fast unheimliche Stille über dem Fluss. Sie dauerte nur wenige Augenblicke an. Bevor sie bedrückend werden konnte, begann das Orchester, Georg Friedrich Händels Musik für die königlichen Feuerwerke zu spielen, die erst wenige Jahre zuvor anlässlich des Friedens von Aachen komponiert worden war. Im gleichen Augenblick zündeten auf der Pyramide und den kleinen Flößen fünfhundert Feuerlanzen, die Säulen aus rotgoldenem Licht in den Himmel steigen ließen.
    Staunend genoss Gabriela das Farbenspiel. Nie zuvor hatte sie so etwas gesehen oder sich auch nur in ihren

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