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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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lassen. Den Wachen habe ich gesagt, er hätte mit seinen unflätigen Reden die Kaiserin beleidigt. Unten auf dem Hof steht eine Kutsche angespannt. Olek hat Anweisung, Sie nach Temeswar zu bringen. Es gibt nur einen, der vielleicht noch Ihren Hals aus der Schlinge zu ziehen vermag. Dort auf dem Tisch liegt ein Schreiben an General Graf Franz Nádasdy auf Fogaras. Er ist der Banus von Kroatien und damit der ranghöchste Vertreter Ihrer Majestät der Kaiserin in den Grenzlanden. Obendrein ist er ein alter Freund. Ich bitte ihn in diesem Brief darum, sich Ihres Falles anzunehmen und die Anklage noch einmal prüfen zu lassen. Mehr kann ich nicht für Sie tun. Sollte auch er zu dem Schluss kommen, dass sie schuldig ist, so wird sie hängen.«
    »Aber Onkel, wie kannst du … «
    Der General hob abwehrend die Hände. »Schweig! Ich bin ihren schönen Reden lange genug aufgesessen. Ich habe ihre Sachen packen und zur Kutsche schaffen lassen. Wenn ich morgen erwachen werde, gibt es nichts mehr in diesem Haus, was noch an sie erinnert. Offenbar ist es mein Schicksal, von Frauen hintergangen zu werden. Ich hätte nach all den Jahren klüger sein sollen … « Aller Zorn war nun aus seiner Stimme gewichen, und er klang nur noch unendlich traurig.
    Gabriela senkte betroffen den Kopf. Sie dachte daran, wie sie erst vor einer Stunde Gregorius den Schlüssel zum Speicher verschafft und einem Fremden damit Zugang zu den intimsten Geheimnissen ihres Onkels gewährt hatte. Langsam erhob sie sich aus dem Sessel.
    »So werde ich nun gehen!«
    Der General sah sie nicht an. In den letzten Wochen hatte sie ihn fast wie ihren Vater lieben gelernt. Und nun war alles zerstört … Mit schweren Schritten ging sie zur Tür. Gabriela hatte die geschwungene Bronzeklinke schon in der Hand, als hinter ihr die Stimme ihres Onkels erklang.
    »Warte!« Mit langen Schritten durchmaß er den Raum. Dann stand er vor ihr. Einen Herzschlag lang glaubte sie, er wolle sie in seine Arme schließen. Ein feuchter Schimmer lag in seinen Augen. »Warum … «
    Gabriela wusste nicht, was sie ihm darauf noch sagen sollte.
    Er räusperte sich. Der Augenblick der Schwäche war vorbei. »Ein Beutel mit Silber liegt im Wagen. Es wird ihr auf der Reise an nichts fehlen … Und der Banus … Er ist ein gerechter Mann. Wenn Sie unschuldig ist, so wird er das Komplott aufdecken und ihren Namen reinwaschen … Und … « Er stockte. Dann streckte er ihr die Hand entgegen. »Lebe wohl, mein Kind!«
    Gabriela nahm seine Hand, die kalt wie ein Stück Eis war, und blickte ihm fest in die Augen. »Auf Wiedersehen!«
    Ende des ersten Buchs

ZWEITES BUCH
    Die sieben Jahre

1. KAPITEL
    Obwohl sie den ganzen Tag nichts anderes tat, als in der Kutsche zu sitzen und aus dem Fenster zu schauen, fühlte sich Gabriela so müde wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Ihr Hirn war wie geschmolzenes Blei. Jede Erinnerung hieß Schmerz. Das kochende Metall fraß sich durch ihre Adern, bis sie nach der ersten Nacht maßloser Wut nichts mehr spürte. Ihr Körper schien wie tot. Ihre Augen starrten, ohne zu sehen, und die Kutsche schien ihr zum Henkerskarren geworden zu sein. Die Reise führte sie über große Heerstraßen und holprige Feldwege. Die Nächte verbrachte sie in namenlosen Gasthäusern oder Poststationen, doch nichts von alldem hinterließ eine Spur in ihrer Erinnerung. Sie spürte die Hitze der ersten Tage nicht. Der Staub der Wege drang durch die Ritzen ins Innere der Kutsche und setzte sich in ihren Kleidern fest, ohne dass sie auch nur die Hand hob, um ihren Rock auszubürsten.
    Die Menschen, denen sie begegnete, schienen zu spüren, dass sie nicht mehr zu ihnen gehörte. Niemand sprach sie an. Wenn sie rasteten, kümmerte sich Olek darum, dass man ihr ein Essen servierte. Danach versorgte er die Pferde und vor allem Nazli, die an einer langen Leine der Kutsche folgte. Gabriela indes verspeiste ihr Mahl, ohne wirklich zu schmecken, was über ihre aufgesprungenen, trockenen Lippen kam.
    Die ersten Tage versuchte Olek noch, sie aufzumuntern. Er saß auf dem Kutschbock und sang oder rief ihr zu, wenn sie eine hübsche Kapelle passierten. Sie antwortete ihm nie. Es dauerte eine Woche, bis auch er verstummte und ein Gesicht machte, als erwarte ihn am Ende dieser Reise der Galgen so wie sie. Gabriela war der festen Überzeugung, dass nichts und niemand sie mehr vor dem Strick retten konnte. Hätte sie nur höher gezielt, als sie auf Janosch geschossen hatte. Lange dachte sie darüber

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