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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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nach, was geschehen sein mochte, nachdem sie aus dem Haus ihres Vaters geflohen war. Es musste Janosch gewesen sein, der dieser Dirne die Kehle durchgeschnitten hatte. Anastasia war ihm nur Mittel zum Zweck gewesen. Er hatte sie gewiss nicht mitgebracht, weil er sie liebte, sondern weil er sie, Gabriela, damit demütigen wollte.
    Nach dem Mord musste Janosch es irgendwie geschafft haben, sich bis zu einem der Nachbargehöfte zu schleppen. Vielleicht war auch jemand auf der Straße am Haus vorbeigekommen und hatte ihm geholfen. Danach hatte Janosch sicherlich leichtes Spiel gehabt. Sie war ja geflohen, und das war so gut wie ein Schuldeingeständnis. Selbst wenn der Banus von Kroatien aus Gefälligkeit gegenüber ihrem Onkel den Fall noch einmal vor Gericht verhandeln ließ, würde das am Ausgang der Sache nichts ändern. Wie sollte sie auch ihre Unschuld beweisen? Niemand aus Orschowa würde für sie sprechen. Sie hatte keine Freundinnen … Dafür würde es umso leichter sein, Zeugen zu finden, die bekundeten, dass sie schon immer seltsam gewesen war. Ein Weib, das sich nicht so verhielt, wie es einem Weibe geziemte. Eine Amazone, die in Hosen mit ihrem Vater auf die Wolfsjagd geritten war. Eine Furie, die fechten und schießen konnte wie ein Mann. Und dann ihr Vater … Ein Plünderer und Mörder, der mit Trenk geritten war. Welcher Richter würde da noch an ihrer Schuld zweifeln?
    Ihrem Onkel musste all dies klar gewesen sein, als er sie fortgeschickt hatte. Seine letzten Worte waren: Lebe wohl. Er hatte gewusst, dass sie sich nicht mehr wiedersehen würden. Der General hatte sie in den Tod geschickt. Was hatte er dabei gefühlt? Gerade in den letzten Wochen waren sie sich so nah gewesen wie nie zuvor. Fast als sei sie wirklich seine Tochter. Hatte er aus Wut und Verzweiflung gehandelt? Hatte ihm sein vom Alten Testament geprägtes Rechtsverständnis keine andere Wahl gelassen? Fühlte er sich wie Abraham, der seinem Gott, ohne zu zögern, sein Kind geopfert hätte?
    Sein Gott auf Erden war die Kaiserin. Ihr diente er bedingungslos. Ihre Beamten verkörperten auch im entlegensten Grenzdorf die Gerechtigkeit der Kaiserin. Sich gegen diese Ordnung aufzulehnen, war ihm unmöglich. Schließlich war er als General in der kaiserlichen Armee und Kommandant einer Festung zum Bestandteil der Ordnung geworden.
    Dieser Gedanke raubte Gabriela die Kraft zur Flucht. Sich aufzulehnen, hätte geheißen, ihren Onkel auf ein Neues zu enttäuschen. Wohin hätte sie auch gehen sollen? Ihr Onkel hatte zwar noch eine Schwester … Doch wo wäre sie leichter zu finden als bei ihr in der Hauptstadt? Mit ihrer Art würde sie sich nirgends lange verborgen halten können. Vielleicht hätte sie sich der Verfolgung ihres Mannes entziehen können, wenn sie nach ihrer Flucht in irgendeinem namenlosen Dorf einen Knecht oder Bauersburschen geheiratet hätte. Doch wer mochte eine wie sie schon haben … Ein Weibsbild, das eines Morgens mit einem Bündel auf dem Rücken im Dorf erschien. Eine Frau ohne Vergangenheit. Vielleicht gar eine Hure! Selbst wenn sie einen Mann gefunden hätte, wäre sie wiederum nur zur Ausgestoßenen geworden. Und sie hätte all das verleugnen müssen, was ihr als Erbe ihres Vaters galt. Er hatte sie wie einen Mann erzogen! Sie war ein Soldat! Wäre sie ein Junge gewesen, sie wäre gewiss schon längst in der Armee. Ein Offizier und Ehrenmann jedoch würde nicht fortlaufen. Er würde sich tapfer den Intrigen entgegenstellen und auf Gott und die Kaiserin vertrauen! So sollte sie handeln, auch wenn sie dieser Weg zum Galgen führte. Alles, was sie jetzt noch hatte, war ihre Ehre. Sie würde sie nicht beschmutzen.
    Dumpf hallte das Donnern der Hufe auf dem Weg. Sie waren in einen Wald gefahren, und draußen war es so dunkel, dass Gabriela die Hand nicht vor Augen sehen konnte. Nicht einmal das Licht der Sterne fiel durch das dichte Laubdach. Olek fuhr jetzt ganz langsam. Er hatte die mächtigen Blendlaternen zu beiden Seiten des Kutschbocks entzündet, doch sie rissen nur eine schmale Bahn in die Finsternis.
    Plötzlich kam die Kutsche mit einem Ruck zum Stehen und Olek fluchte lauthals. Dann sprang er vom Bock, und einen Augenblick später öffnete er den Schlag. »Ein umgestürzter Baum versperrt den Weg, gnädiges Fräulein. Ich werde die Axt nehmen und versuchen ihn in Stücke zu schlagen. Doch es mag wohl sein, dass wir den größten Teil dieser Nacht hier verbringen müssen. Soll ich Ihnen eine Decke bringen, damit

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