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Die Sturmrufer

Die Sturmrufer

Titel: Die Sturmrufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: blazon
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mit aller Kraft in die Riemen zu legen. Mit gleichmäßigen Zügen brachten Amber und Tanijen das Boot in die Bucht. Die Anstrengung lenkte sie davon ab, dass das Geräusch des Wassers, das gegen die dünnen hölzernen Wände schlug, ihr Angst machte. Und dennoch: Sie ruderte dem Horizont entgegen! Auch wenn sie sich darunter etwas anderes vorgestellt hatte als Zweifel und eine seltsame schwebende Furcht, die ihr folgte wie ein Hallgespenst.
    Splitter und lose Planken stießen an die Außenwand des Bootes, einmal verhedderte sich Tanijens Ruder in einem zerrissenen Netz. Unzählige andere Boote ruderten vor und neben ihnen. Amber sah Taucher und Seiler, aber auch ganz gewöhnliche Leute, die sich weit über die Boote hinausbeugten auf der verzweifelten Suche nach etwas Verlorenem. Bis auf vereinzelte Rufe hörte man nur die Schläge der Ruder, die in das Wasser eintauchten. Amber kam es vor, als würde sie über einen gewaltigen Friedhof fahren. Zum ersten Mal sah sie die Stadt aus dem Blickwinkel der Kapitäne.
    Der Anblick war unendlich schön und unendlich traurig zugleich: eine weiße, verwundete Stadt, strahlend in der Sonne. Die fünf Landzungen ragten wie eine gewaltige Hand, die nach dem Wasser griff, ins Meer. Zwischen Ring- und Mittelfinger befand sich der große Handelshafen, wo Güter aus dem ganzen Meerland nach Tjärg, auf die Inseln und in ferne Länder verschifft wurden.
    Erst jetzt begriff Amber, wie viel Glück sie gehabt hatte, sich zu Beginn des Sturms in den hinteren Gassen der Stadt aufgehalten zu haben. Geschützt durch Häuser und Gebäude hatte sie lediglich die Ausläufer des Sturms erlebt, die Leute hier hatten ihn dagegen mit voller Wucht zu spüren bekommen.
    Wind und Wellen hatten alle fünf großen Handelsschiffe, für die Amber bei ihrer Ankunft noch voller Bewunderung gewesen war, zerstört. Dort, wo gestern noch unzählige Holzstege und Stände mit Fischen, Gerät und Korallenschmuck gestanden hatten, erstreckte sich nur noch endloses Wasser, in dem die Trümmer schaukelten. Eine Abbruchkante zeigte, wo ein Teil der Uferstraße einfach dem Druck des Wassers nachgegeben hatte und versunken war. Unwiderruflich.
    Tanijen verharrte. Amber ruderte noch einen Schlag, doch dann hob sie ebenfalls das Ruder aus dem Wasser. Die kleine Mannschaft im Boot war still geworden. Sabin betrachtete die zerstörte Hafenstraße, als hätte sie einen geliebten Menschen verloren. Amber fielen die tiefen Schatten unter ihren Augen auf. Zum ersten Mal kam ihr in den Sinn, dass die Taucherin womöglich nicht nur ihrem Boot nachtrauerte. Und sie fühlte sich wie ein Eindringling, der sich auf eine Beerdigung geschlichen hatte, ohne die Menschen gekannt zu haben, von denen nun Abschied genommen wurde.
    »Wir müssen weiter«, sagte Inu heiser. Verstohlen wischte er sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Als er den Arm senkte, sah Amber, dass seine Augen gerötet waren.
    Höflich blickte sie weg und betrachtete stattdessen die schmalste Landzunge. Und wünschte gleich darauf, sie hätte es nicht getan. Aber nun war es zu spät – sie hatte die Galgen gesehen. Am äußersten Rand der Stadt standen sieben davon. Eine Menschenmenge wogte um den Richtplatz. Und noch weiter hinten, schon außerhalb der Stadt, entdeckte Amber einen gewaltigen Schiffsfriedhof. Gestrandete Schiffe lagen dort auf dem Land, einige schon halb zerfallen. Die Sturmflut hatte manche von ihnen ein Stück die Anhöhe hinaufgeschoben, andere lagen wie verendete Tiere halb im Wasser. Seltsam wirkte die Tatsache, dass die beschädigten Masten immer noch Segel trugen – allerdings waren sie lumpig und geflickt und hingen wie Zeltplanen über die Reling.
    »Da sind Menschen«, sagte Amber. »Und es sieht aus, als würden sie… auf den Schiffen leben.«
    »Allerdings«, antwortete Tanijen. »Es ist der alte Schiffsfriedhof. Die Gestrandeten, die Glücksucher, der Abschaum der Stadt und die, die keine Genehmigung haben, sich in der Stadt aufzuhalten – sie leben auf dem Friedhof.«
    Diese Nachricht erschütterte Amber fast ebenso sehr wie der Anblick der Galgen. Abschaum der Stadt?
    »Manche können nichts dafür«, erwiderte Sabin. »Manche haben durch die Stürme alles verloren. Und nach jedem Sturm werden es mehr.«
    Amber fiel auf, dass die Taucherin den Anblick des Friedhofs nicht ertragen konnte. Was mochte sie verloren haben? Nun, sie brauchte diesen Auftrag sehr dringend, so viel hatte Amber herausgehört.
    Abwesend griff Sabin zu ihrer

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