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Die Sturmrufer

Die Sturmrufer

Titel: Die Sturmrufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: blazon
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als sie sah, dass die beiden runden Schalen genau über ihren Augen zu liegen kamen. Sabin nahm das Seil, das Inu ihr reichte, griff nach ihrer Harpune – und überschritt mit einer geschmeidigen Bewegung den Bootsrand. Ihr blondes Haar flackerte vor dem dunkelblauen Meer auf, dann verschluckte das Wasser sie. Nur ein paar Tropfen glitzerten in der Luft, schon war Sabin mit dem Meer verschmolzen wie der Naj auf dem überschwemmten Marktplatz. In der Nähe platschte eine Flosse und etwas Schwarzes, beunruhigend Schnelles tauchte ab.
    Unter der schillernden Haut, die Luft und Wasser trennte, erahnte Amber die Bewegungen von Sabins Körper. Stück für Stück ruckte das Seil in die Tiefe. Inu gab immer weiter nach. Amber hielt unwillkürlich den Atem an, als würde sie selbst tauchen. Die Herzschläge pochten durch ihre Schläfen. Nach einer Weile wurde das Hämmern unerträglich. Schließlich hielt sie es nicht länger aus und schnappte nach Luft.
    »Sie ertrinkt!«, japste sie.
    Tanijen lächelte. »Sie ist Perltaucherin. Warte ab.«
    Viel zu viele bange Augenblicke vergingen. Das Seil bewegte sich schon seit einer ganzen Weile nicht mehr. Dann tauchte Sabin auf einmal links vom Boot auf. Amber wäre vor Überraschung beinahe aufgesprungen. Die Taucherin war kaum außer Atem, aber ihre Wangen leuchteten rot. Anmutig schwamm sie zum Boot und warf eine Handvoll Halsketten mit hübschen, aus Silbermuscheln gearbeiteten Anhängern ins Boot. Ihr Haar trieb um ihre Schultern wie ein Bündel Schlingpflanzen.
    »Leck. Spanten an Ralbord gebrochen!«, sagte sie. »Und der Bug ist zertrümmert, als wäre die Kallanera im Sturm auf ein anderes Schiff gelaufen. Nur das Heck und die Kajüten sind zum Teil unversehrt. Die Ladung aber liegt verstreut im Sand. Wir werden den ganzen Tag brauchen, um noch etwas aufzusammeln.«
    »Lagerraum?«, fragte Inu. Sabin nickte und warf Tanijen ein Lederband mit zwei geschliffenen Kristallschalen zu. »Ein Spalt, aber nichts zu sehen. Doch im Sand sind Spuren von…« Mit einem Blick auf Amber verstummte sie. Auch Tanijen und Inu warfen ihr verstohlen einen Blick zu.
    »Was?«, fragte Amber beunruhigt.
    »Spuren eben«, sagte Sabin knapp. »Wie auch immer, ich brauche einen zweiten Mann unten. Eine Tür muss aufgehebelt werden, allein schaffe ich es nicht.«
    Dann war sie wieder fort. Tanijen band sich die Schalen vor die Augen und zurrte das Lederband am Hinterkopf fest.
    »Zurück zu den alten Zeiten?«, bemerkte Inu frostig.
    Tanijen schenkte ihm ein spöttisches Lächeln, zwinkerte Amber zu und sprang. Inu blickte ihm mit düsterer Miene nach.
    »Was meintest du mit den ›alten Zeiten‹?«, fragte Amber.
    Inu lächelte bitter. »Früher arbeitete er als Korallentaucher, aber heute ist er als Navigator für die Großhändler am Nordhafen unterwegs.«
    »Das ist doch gut, oder?«
    Inus Stirn verdüsterte sich noch mehr. »Vermutlich schon.«
    »Und warum streitet ihr euch dann?«
    »Wir streiten nicht«, sagte Inu eine Spur zu grob. »Wir waren lange Zeit Freunde – aber manchmal verändern sich auch Freunde, bis sie Fremden gleichen.«
    »Wie Fremde wirkt ihr nicht. Habt ihr euch wegen Sabin gestritten?«
    Jetzt war Inu wirklich überrascht. »Sabin?«
    »Nun, ihr beide tut alles, um ihr diesen Auftrag zu ermöglichen. Allerdings sieht sie Tanijen ganz anders an als dich. Und: Sie war es doch, um die du dir gestern Sorgen gemacht hast, oder?«
    Inu lachte. »Ja und nein«, antwortete er. »Sich um Sabin Sorgen zu machen, ist verschwendete Zeit. Sie ist wie ein Naj – sperr sie unter Wasser in einen Käfig und sie kommt wieder heraus, mit einem Dornrachen in der einen Hand und einem Glashai in der anderen.«
    »Nun, mit der dantarianischen Höflichkeit, auf die du so großen Wert legst, ist es bei ihr jedenfalls nicht weit her.«
    Inu sah sie ernst an. »Tut mir leid, Amber«, sagte er schließlich. »Du bist wütend auf mich – und du hast ganz recht damit. Ich hätte dich nicht mitnehmen sollen. Schon gar nicht als Ersatz.«
    Der Satz verdarb Amber augenblicklich die Laune.
    Ersatz.
    Etwas zu ahnen war eine Sache, es zu hören eine ganz andere.
    »Schon gut«, meinte sie brüsk. »Es ist ein Geschäft, nichts weiter.«
    Ein Platschen ließ sie herumfahren. Da war es wieder – ein schwarzes Ungetüm. Sein Flossenschlag brachte das Boot zum Schaukeln. Schon tauchte es wieder ab.
    »Was war das?«, fragte sie leise. Inu zog erstaunt die Brauen hoch, als hätte er tatsächlich vergessen,

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