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Die Sturmrufer

Die Sturmrufer

Titel: Die Sturmrufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: blazon
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die die Insel umgibt. Kaltes Wasser trifft auf warmes. Vielleicht kommt daher auch der Nebel am Horizont, siehst du?«
    Inu folgte mit dem Blick ihrem ausgestreckten Arm. Mit etwas Fantasie konnte man sich vorstellen, dass es eine Nebelwand war, die weit draußen mit dem Flirren des Wassers und dem Himmel zu einer grauen Fläche verschmolz.
    »Weiß Tanijen, wo wir sind?«, fragte Inu. Tanijen drehte sich zu ihm um.
    »Auf einer Insel«, sagte er lakonisch und mit diesem Anflug von Überheblichkeit, der in Inu sofort wieder den Ärger wachrief. »Höchstwahrscheinlich eine der äußeren Jellamar-Inseln«, fuhr Tanijen fort. »Die schwarzen Strandfelsen und der Umriss der Bucht dort, das würde passen. Ganz genau kann ich es allerdings nicht sagen. Meine Instrumente sind über Bord gegangen. Jedenfalls müssen wir weiter abgetrieben worden sein, als wir dachten. Gut, dass wir nicht in den Taltad-Mahlstrom geraten sind. Dann lägen wir jetzt am Grund des Meeres.«
    »Die Jellamars sind alle bewohnt«, sagte Sabin. »Auf der windabgewandten Seite der Insel müsste sich eine Fischersiedlung befinden.«
    Inu atmete auf. Jellamar – natürlich. Wenigstens waren sie in Sicherheit.
    Sabin legte ihm die Hand auf die Schulter, als hätte sie seine Gedanken gehört. Die vertraute Berührung tat gut.
    »Im Wasser sind die Trümmer mehrerer Schiffe«, sagte sie leise. »Der Sog muss sie in die Tiefe gezogen haben. Und siehst du den Felsen dort? Am Fuße des Felsens liegt eine Galeone, ihre Ladung wurde nicht weit von hier an Land gespült.«
    Inu nickte und sah sich um. »Wo ist Amber?«
    Sabin zog eine Augenbraue hoch und lächelte ihm ironisch zu. »Sie konnte gar nicht schnell genug vom Meer wegkommen, hast du etwas anderes erwartet?«
    »Sie ist über die Felsen geklettert und sieht sich nach Fischern um«, erklärte Tanijen.
    Inu fuhr hoch. »Und ihr habt sie gehen lassen? Allein?«
    Sabins Augen verengten sich. »Das Meer ist mein Element und das Land ist das von Amber. Da oben bei den Strandfelsen gibt es ohnehin nur Gestrüpp, Marjulabäume und ein paar träge Echsen. Soll sie zeigen, was sie kann, wenn sie uns sonst schon nichts nützt.«
    »Vielleicht unterschätzt du sie, Sabin«, meinte Inu und stand auf. »Nicht jeder Bergbewohner wäre mit uns aufs Meer gefahren.«
    Die Taucherin lachte. »Oh, noch jemand, der große Stücke auf den Strohhut hält. Dann geh sie suchen – dort entlang.«
    Nach wenigen Schritten hatte Inu die glatt geschliffenen blauschwarzen Felsen erreicht, die den Strandabschnitt begrenzten, und begann zu klettern. Immer wieder wehte der Wind ihm die geflochtenen Haare vor die Augen. Sabins Spott ärgerte ihn. Natürlich machte er sich Sorgen um Amber! Er war schließlich dafür verantwortlich, dass sie nun hier war. Sie könnte in diesem Augenblick friedlich auf dem Dach von Ujas Herberge sitzen oder auf dem Markt nach Arbeit suchen. Was für eine Idee von ihm, ein Landmädchen mit nichts als bunten Träumen vom Meer im Kopf als Ersatzruderer mitzunehmen! Doch nun waren sie verbunden – seit jenem Augenblick, als er ihr die Hand gereicht hatte, um sie in den Keller zu führen, hatte sich das unsichtbare Band geknüpft. Jeder Seiler wusste es: Man konnte die Fäden eines Menschenlebens nicht aufnehmen, um sie dann einfach wieder durchzuschneiden.
    Selbst zwischen den höheren Felsen lagen Trümmerstücke von Schiffen. Inu entdeckte einen verbogenen Kompass von der Größe seiner Handfläche. Der Zeiger darin drehte sich mal nach rechts, mal nach links, wie ein Verrückter, der ständig zwei Schritte vor- und zwei Schritte zurücksprang. Inu steckte den Kompass ein und kletterte weiter. Als er den obersten Felsen fast erreicht hatte, warf er einen Blick über die Schulter. Von hier konnte er die ganze Strandlinie überblicken. Und der Anblick war nicht gerade beruhigend. Masten gesunkener Schiffe ragten neben schaumbekränzten Felsen aus dem Wasser. Rechts und links erstreckten sich weitere kleine Strände, gebogen wie Monde, die jemand aneinandergelegt hatte, um eine Kette zu formen. Und jede dieser sandigen Sicheln barg Trümmer. War das wirklich eine der Jellamar-Inseln?
    »Na, Inu Taramo? Ausgeschlafen?« Amber stand vor ihm und grinste. Ihr kurzes Haar stand wirr und wellig vom Kopf ab. Getrocknetes Salz hatte einen kristallinen Schleier über ihre goldbraunen Strähnen gelegt. Fast schien es, als würde das Salz an ihr ebenso gut haften, wie es an Sabin zusammen mit dem Wasser abperlte. In

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