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Die Sturmrufer

Die Sturmrufer

Titel: Die Sturmrufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: blazon
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war, die von einem Frösteln geschüttelt wurde. Das Boot ließ sich nicht mehr in eine Richtung bringen, sondern blieb längsseits in der Strömung und schob eine gewaltige Welle vor sich her. Ein Schimmern drang durch den Nebel, doch es war zu hell für den Mond. Und ihr Haar knisterte immer noch, als hätte ein Magier sich einen Spaß erlaubt. Amber schrie auf, als ein Ruck durch das Boot fuhr.
    »Kappt die Seile!«, befahl Inu. »Es zieht uns nach unten!«
    Amber klammerte sich an das Holz. »Nein!«, schrie sie.
    Das Boot wurde ruckartig in die Tiefe gerissen, bevor sie noch einmal Luft holen konnte. Schäumendes Wasser schlug über ihr zusammen. Jedes Geräusch brach ab, da waren nur noch Rauschen und ihr eigener Schrei unter Wasser, verzerrt und tierähnlich. Ihr fiel ein, dass sie ihre Luft verschwendete, und sie presste erschrocken die Lippen aufeinander. Das Seil zerrte sie nach unten. Dies war kein gewöhnlicher Sog, es war etwas, das sie zermalmen wollte. Instinktiv griff Amber nun doch nach dem Messer und kappte das Seil. Sie spürte, wie etwas Fremdes sie ergriff und wieder emporhob. Das Wasser um sie herum schien Struktur zu bekommen, ein Schieben und Drängen setzte ein, als würden wasserweiche Hände sie gegen den Willen des Sogs mit aller Gewalt zur Oberfläche stoßen.
    Sand brannte in ihren Augen. Ein harter, schmerzhafter Stoß gegen ihr Knie rief ihr blitzartig den Dornwaran in Erinnerung und sie trat mit aller Kraft nach dem Widerstand. Welch ein Fehler. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihren Fuß und Amber erkannte, dass sie nach einem Felsen getreten hatte. Im nächsten Augenblick griff ihre panisch schlagende Hand in Sand und Seegras. Ufer!
    Amber dachte nicht mehr. Wie ein erstaunter Zuschauer verfolgte sie, wie ihr Körper ganz von allein im Wasser herumwirbelte, mit den Füßen den Grund fand und hochschoss. Wellen schlugen gegen ihre Brust. Und da war Luft! Verbissen kämpfte sie sich aus dem Meer, stolperte über Felsbrocken, die im Sand aufragten, schlug sich die Zehen blutig, ertastete mit aufgeschürften Fingern Uferfelsen. Rechts und links und vor sich hörte sie in der Dunkelheit schartige trappelnde Schritte, als würde sich gepanzertes, gliederfüßiges Getier schleunigst aus dem Staub machen. Immer noch sah sie nichts, aber der Sand wurde trockener, Gras schnitt ihr in die Finger. Und dann, endlich, als sie sich erschöpft und mit dröhnendem Herzen auf den Boden fallen ließ, lag das Rauschen der Brandung hinter ihr.

 
     
     
     
    II
D IE I NSEL

Schwarzes Wasser
     
    I nus Finger krallten sich in den Ufersand, aber der feste Boden unter ihm schaukelte immer noch hin und her wie ein wild gewordenes Boot.
    »Tanijen?«, hörte er Sabins Stimme. Er kämpfte gegen den Impuls an, zu ihr zu kriechen und sie einfach in die Arme zu nehmen. Doch gleich darauf war die Sorge um Tanijen da. Wo war er? Gerade als Inu ebenfalls nach ihm rufen wollte, hörte er, wie der Navigator Sabin antwortete. Inus Erleichterung verwandelte sich in Erschöpfung. Sie lebten alle noch… alle?
    Erschrocken fuhr er hoch. »Amber!«
    Keine Antwort. Nur Wind.
    »Amber!« Seine Stimme überschlug sich.
    Endlich ein Husten in der Nähe. Es klang, als hätte das Mädchen einige Handvoll Sand in die Kehle bekommen. Inu lächelte erleichtert. Das war typisch für die Leute vom Land: Selbst im Wasser rissen sie den Mund noch auf und wunderten sich, wenn sich ihre Lungen dann anfühlten wie mit Salzfisch und Sand vollgestopfte Säcke. Inu ließ sich wieder in den Sand zurückfallen. Nie hätte er sich verziehen, wenn Amber ertrunken wäre. Und jetzt erst spürte er seinen Körper wieder, spürte, wie er zitterte und in diesem schneidenden Wind fror, spürte jeden Knochen und jeden blauen Fleck, jede Schürfwunde, mit der das Boot ihn gebrandmarkt hatte, bevor es vom Sog in die Tiefe gerissen worden war. Diesen Sog hatte er deutlich gespürt – und dann noch etwas anderes… Hände, die ihn getragen hatten. Oder hatte er es sich nur eingebildet?
    Über ihm riss die schwarze Wolkendecke auf und Mondschein fiel auf sein Gesicht. Ein bisschen war es so, als würde er am Meeresgrund liegen und zur Sonne hochsehen, die von den schwarzen Silhouetten träge dahintreibender Wale verdeckt wurde.
    Blinzelnd versuchte er sich ein Bild zu machen. Der Sand leuchtete hell und umrahmte die Trümmer des Bootes. Und dort, zwischen dem, was vor wenigen Augenblicken noch ein Bug gewesen war, und einer zerbrochenen Sitzbank,

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