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Die Sturmrufer

Die Sturmrufer

Titel: Die Sturmrufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: blazon
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die dunkle Männerstimme. »Nicht ohne… das Werkzeug.«
    Tanijen schauderte. »Was… freilassen?«
    Das Gesicht wandte sich ihm zu und bekam einen verschlagenen Ausdruck. Dann blitzte Wut in den matten Augen auf. »Lemar, du Narr!«, gurgelte der Tote. »Du verdammter Narr!« Dann griff er an.
    Tanijen schrie auf und stürzte zur Seite. Er hob den Stock zum Schlag, während eine nicht sehr gnädige Stimme in seinem Kopf ihn fragte, wie er denn einen Toten außer Gefecht setzen wollte.
    Wärme flutete durch seine Hände, die Magie wirbelte in den Ecken, als würde sie nur darauf warten, dass er sie zu Hilfe rief.
    Niemals leichtfertig, sagte der Kodex. Es gibt einen Punkt, an dem es nur noch zwei Wege gibt. Der eine führt dich in das seichte Wasser der Sicherheit, der andere kann dich die Seele kosten.
    Tanijen rettete sich hinter den Tisch und stieß mit dem Fuß einen Stuhl um. Offenbar spielten Möbel in der Wahrnehmung des Toten keine Rolle. Beim Versuch, sich direkt auf Tanijen zu stürzen, stolperte er über den Stuhl, fiel und warf auch noch den Tisch um. Schwer stürzte er mit dem Möbelstück zu Boden, während lose Papiere hochflatterten und auf ihn herunterschneiten. Tanijen spürte seine Hände nicht mehr, so fest umklammerte er den Stock. Seine Knöchel leuchteten weiß im Halbdunkel der Halle.
    Er schielte zur Tür. Doch selbst wenn er schnell war, konnte der Tote ihm den Weg abschneiden.
    Inzwischen rappelte sich der Tote in eine sitzende Position auf und begann zu murmeln. Seine Finger strichen über die Aufzeichnungen auf dem Boden und hinterließen nasse Spuren auf dem Papier. »Der Versuch mit den Käfigen ist gescheitert. Der letzte Sturm zerstörte den nördlichen Turm. Loin meint, wir sollen es mit den Fesseln versuchen, aber die Vögel sind alle eingegangen. Wir müssen…«
    Er seufzte, aber es klang wie ein Laut aus der Ferne, denn er atmete nicht. Natürlich nicht.
    Als Tanijen etwas am Rand seines Blickfelds vorbeihuschen sah, riss er reflexartig den Stock hoch und schlug zu. Der Spiegel fiel von der Wand. Scherben prasselten auf den Boden. Nur eine einzige, die wie ein zackiges Grinsen aussah, blieb im Rahmen. Immer noch bewegte sich etwas darin. Tanijen blickte gehetzt vom Spiegel zum Toten und wieder zurück. Ein Spiegelzauber! Eine Szene aus einer Vergangenheit wiederholte sich dort. Das Bruchstück eines Spiegelbildes. Auf der trüben Oberfläche erkannte Tanijen nicht viel: eine Hand, die in der Falte eines Umhangs verschwand. Und als sie wieder auftauchte, hielt sie etwas Rotes in der Hand.
    »Du wirst sterben, Lemar«, sagte der Tote heiser und stand wieder auf.
    Es gab in der Tat zwei Wege: Er würde sterben. Oder er nahm sich das, was ihm ohnehin schon längst gehörte, und wehrte sich.
    Tanijen vergaß den Kodex, vergaß Sabin und seinen Schwur und rief die Magie zu Hilfe.
     
    *
     
    Abrupt hatte der Wind wieder eingesetzt, doch zum Sturm wurde er nicht. Amber war den Weg vom Strand bis zu Anhöhe gerannt. Dabei ließ sie den Blick auf der Suche nach einem schlanken, geraden Baum über die Ebenen schweifen. Bedauerlicherweise duckten sich fast alle Bäume der Insel unter dem Wind, als würde der Himmel viel zu schwer auf ihnen lasten. Nur in der Nähe der Küste standen einige dicke Marjulabäume.
    Es tat gut, über die Erde zu laufen, die sich zwischen den Felsen gesammelt hatte. Mit jedem Schritt auf festem Boden kehrte Amber ein Stück mehr in die Welt zurück, die sie beherrschte. Und dennoch – wenn sie über die Schulter blickte, lockte blau und unergründlich das Meer.
    »Komm schon! Das drüben steht ein gerader Baum!«, schrie sie Inu zu und rannte weiter.
    Inu holte im Laufschritt auf und ging neben ihr her.
    »Ich bin froh, wenn wir wieder auf dem Wasser sind«, meinte er und lächelte. »Dann darf ich die Befehle geben und du musst gehorchen.«
    Er zwinkerte ihr zu und Amber erwiderte sein Lächeln unwillkürlich. Es war irritierend und dennoch angenehm, in Inus Nähe zu sein. Bei Tanijen dagegen war sie sich nie ganz sicher, ob er sich nicht heimlich über sie lustig machte.
    »Freu dich nicht zu früh, Seiler«, meinte sie. »Bis dahin haben wir noch genug Arbeit vor uns.«
    Inu seufzte schwer und nickte. »Vom Seiler zum Holzfäller. So weit ist es mit mir gekommen.«
    »Was ist denn so schlecht an Holzfällern?«
    »Nichts – nur ihr Hang zu Prügeleien ist gewöhnungsbedürftig.«
    »Ja, dafür musst du allerdings noch viel üben.«
    Inu lachte und strich

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