Die Sturmrufer
zurück. Seltsamerweise sorgte er sich nur darum, ob Amber die Taucherin schlagen würde, zumindest wirkte sie so, als würde sie Sabin büßen lassen.
»Ist gut, Amber!«, sagte er heiser.
»Sprich nie mehr von Magie!«, schrie Sabin. »Sprich nie davon, dass sie dich berührt hat, und halte ihr nicht die Hand hin! In Dantar stehen Galgen bereit für Leute, die auf ihre Stimme hören!« Plötzlich umarmte sie ihn und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals. »Ich verliere nicht noch jemanden«, sagte sie mit erstickter Stimme.
Schweig, sagte der Dolch. Und Inu war erstaunt darüber, wie bereitwillig er gehorchte. Es war keine Sache der Entscheidung, es war wie ein eigener Gedanke.
»Sabin?« Tanijen stand auf der Treppe. Sein irritiertes Gesicht spiegelte wider, was er sah: Inu völlig durchnässt, Sabin in seiner Umarmung, Amber immer noch mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt, als verteidige sie die Gruppe gegen Eindringlinge. Im ersten Impuls wollte Inu Sabin loslassen. Doch dann legte er die Arme um sie und hielt sie fest.
Bis zum Morgen rüttelte der Wind an den verschlossenen Fensterläden, trappelten die Vögel über das Dach. Wasser schwappte unter der Tür in die Halle, als würde der Tümpel überlaufen. Immer wieder zuckten sie zusammen, weil sie Stimmen zu hören glaubten, doch Tanijen beharrte darauf, dass es nur ihre Einbildung war. Der Morgen schien ihm recht zu geben. Als sie vorsichtig durch eine Fensterritze nach draußen sahen, war der Hof leer und der Tümpel lag spiegelglatt da.
Fische
T anijen hatte Fieber bekommen. Es kostete ihn so viel Kraft, dass er kaum sein Zimmer verließ. Jetzt, nach zwei Tagen der Schwäche, wirkte er auf Sabin, als würde ein Feuer in seinem Inneren lodern, das ihn verbrannte. Die Schlaflosigkeit machte ihn gereizt und schweigsam, doch er bestand darauf, weiter nach Anhaltspunkten über die Insel zu suchen, während Inu und Amber sich um das Boot kümmerten und Sabin das Meer erforschte, um die beste Route zu finden, den Sog zu umgehen. Sabin ließ ihn in Ruhe, auch wenn die Sorge um ihn sie kaum schlafen ließ und der Verlust an Vertrautheit schmerzte. Alles war anders geworden. Die Vögel saßen reglos im Hof. Nur ihr träges Blinzeln verriet, dass sie noch lebendig waren. Inu wirkte oft abwesend und schrak zusammen, als hätte er etwas gehört. Amber war davon überzeugt, Gespensterschritte auf den Fluren zu hören. Und Sabin träumte von Satu, als wäre er noch lebendig. Sie konnte sogar seine Gegenwart spüren, bevor sie die Augen aufschlug. Einzig Tanijen beharrte darauf, die Veränderung nicht zu bemerken. Und seltsamerweise machte es ihm nichts aus, in der Wasserburg zu bleiben, während die anderen zum Strand gingen.
Doch Sabins Zufluchtsort war nach wie vor das Meer.
Direkt unter ihr huschten zwei Kupferhaie über den Sandboden. Sie erinnerten an lebendig gewordene, glänzende Metallskulpturen. Sabin hätte sie leicht harpunieren können, aber die Haie hatten sich so an ihre Gegenwart gewöhnt, dass ihre Wachsamkeit nachließ. Und Sabin wäre es heimtückisch erschienen, sie hinterrücks zu erlegen. Außerdem hatte sie einen ganzen Netzbeutel voller Blaukrabben, das würde für zwei Mahlzeiten reichen.
Die Strömung trieb sie im Halbkreis um das Bootsheck über den Abgrund, sie schwamm nach oben, berührte die Timadar und tauchte auf. Es dauerte einige Augenblicke, bis das Wasser von der Brille abfloss und ihr ein klares Bild der oberen Welt zeigte. Vor ihr baumelte die Strickleiter und über ihrem Kopf war ein Streitgespräch in vollem Gang. Sabin kletterte hoch. Die Schwere kehrte in ihre Glieder zurück und mit ihr der Gedanke an Tanijens Fieber und an den Schiffsfriedhof.
Amber hatte mithilfe von Keilhölzern den Mast befestigt. Allerdings war es ein dünner, reichlich krummer Mast, denn die einzigen brauchbaren Bäume, die das Landmädchen gefunden hatte, sahen aus, als wollten sie auf dem Bauch dem Wind davonkriechen. Bei ihrem Anblick wurde der Gedanke an Dantar wieder zur Last. Warum ein Landmädchen?, dachte Sabin missmutig. Von allen Menschen dieser Welt muss es ein Strohhut sein, mit dem wir stranden! Amber erinnerte sie an das Elend: An Satu, an Dantar… und den Schiffsfriedhof. Amber erinnerte sie mit aller Gewalt daran, warum sie zurückmusste, obwohl sie lieber an jeden anderen Ort der Welt gegangen wäre.
Inu stand mit dem Rücken zur Reling und gestikulierte wild. So aufgebracht kannte Sabin ihn nur, wenn ein Seil beschädigt
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