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Die Sturmrufer

Die Sturmrufer

Titel: Die Sturmrufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: blazon
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wurde.
    »Ich bin eben Seiler«, rief er gerade. »Deshalb!«
    »Und ich bin Ziegenhirtin und Holzfällerin«, gab Amber ungerührt zurück. »Na und?«
    Amber und Inu stritten also wie immer. In dem zerbrechlichen Alltag, der sich in den letzten Tagen eingestellt hatte, erschien es Sabin wie ein bitteres Echo ihrer eigenen Geschichte – damals, als das Leben noch einfacher gewesen war. Als sie und Tanijen noch tauchten und Satu derjenige war, der mit Inu nie einer Meinung war. Und für einige ärgerliche Momente kam es ihr so vor, als hätte sich Amber sogar in ihre Erinnerungen gedrängt und würde Satu seinen Platz darin wegnehmen.
    »Was es heißt, Ziegen zu hüten, weiß ich nicht«, sagte Inu missmutig. »Aber wir Seiler durchschlagen keine Knoten, wir entwirren sie. Es gibt Regeln! Wir schneiden niemals ein Seil ab – niemals! –, wenn wir stattdessen den Knoten lösen können.«
    »Wozu soll das gut sein?«, beharrte Amber. »Es kostet uns nur Zeit und ich will hier so schnell wie möglich weg! Du kannst doch ein neues knüpfen, wenn wir wieder in Dantar sind.«
    Inu war rot vor Wut. »Ein neues knüpfen? So einfach machst du es dir? Es ist doch alles verbunden – zieh an einem dünnen Seil und dann sieh, wie das ganze Netz in Bewegung gerät. Wenn du so nicht leben kannst, bist du kein guter Seiler. Seile bedeuten Sicherheit und Rettung.«
    »Erstens bin ich kein Seiler«, erwiderte Amber erstaunlich ruhig, »und außerdem binden Seile auch. Fesseln bestehen aus ihnen. Man wäre ein Idiot, sie nicht zu zerschneiden. Dieser Knoten da an der Takelage stört ebenso wie eine Fessel! Ich will den Mast befestigen und weitermachen und das Seil hat sich festgezurrt. Also: ein sauberer Schnitt ist besser.«
    »So wie bei dir?« Er deutete auf ihre Schulter, an der die blauen Flecken beinahe verblasst waren. »Durchschlägst du alle Verbindungen, als könntest du jederzeit neue knüpfen? Oder war es jemand anderes, der mit dem Knüppel die Bindung zu dir durchschlagen hat? Wer prügelt dich so grün und blau, dass du seitdem auf der Flucht bist? Warum erzählst du nicht zur Abwechslung einmal etwas über dich, Amber, statt mir vorzuschreiben, wie ich mein Handwerk ausüben soll?«
    Sabin sah den weiteren Verlauf des Gesprächs bereits vor sich: Amber würde die Faust ballen und ausholen. Das Landmädchen hatte nicht mehr Beherrschung als ein bluthungriger Klippkrake beim Anblick einer harpunierten Makrele.
    Aber Amber biss sich nur auf die Unterlippe. Sie sah aus, als hätte sie eben eine Ohrfeige bekommen. Beinahe tat sie Sabin leid. Beinahe.
    »Das geht dich verdammt noch mal gar nichts an«, zischte Amber und wandte sich wieder dem Mast zu.
    »Was ist eigentlich los mit dir? Wir schlafen alle schlecht, doch das ist kein Grund, mir wegen eines lächerlichen Seils gleich ins Gesicht zu springen. Aber wenn du meinst, wir haben genug Zeit, ständig alte Knoten zu entwirren, bitte!« Und noch unfreundlicher fügte sie hinzu: »Manchmal könnte man meinen, du willst hier gar nicht weg.«
    In Augenblicken wie diesen war Sabin beinahe versucht, das Landmädchen zu mögen. Dafür, dass sie alles daransetzte, die Insel so schnell wie möglich zu verlassen. Und auch dafür, dass sie so stark sein wollte und doch so empfindlich war wie ein Seidenfisch. Doch zum Glück siegte immer wieder die Vernunft.
    Inus Augen verengten sich vor Wut. Seine Hand glitt zu seinem Tuch über dem Gürtel. Etwas Kantiges zeichnete sich dort ab, vielleicht ein kleines Messer zum Offnen von Muscheln. Für einen Augenblick erschrak Sabin, so fremd kam er ihr vor. Sie kannte ihn wütend, aber dieser stille, lauernde Zorn war ihr neu und irritierte sie. Inu lauschte auf etwas, doch Sabin hörte nur das Rauschen der Wellen. Werden wir langsam alle verrückt?, schoss es ihr durch den Kopf.
    »Wie weit seid ihr?«, fragte sie laut und wuchtete das Netz mit den Krabben auf das Deck. Inu zuckte überrascht zusammen und legte die Hand auf das Tuch, als wollte er das Muschelmesser vor ihrem Blick schützen, obwohl sie es ohnehin nicht sehen konnte.
    »Wir brechen übermorgen auf«, sagte Amber trotzig an den Mast gewandt. »Und wenn ich die Seile heimlich durchnagen muss.«
    Übermorgen! Sabin atmete auf. Beim Gedanken daran, die Insel endlich hinter sich zu lassen, wurde ihr warm.
    »Das Leck ist abgedichtet«, fuhr Amber fort. »Sobald wir das restliche Wasser aus dem Rumpf geschöpft haben, könnten wir das Schiff sogar schon ins Meer ziehen. Und wie

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