Die Suche nach dem Drachenring (German Edition)
gehört habe." Nachdenklich fuhr Arne mit der Hand durch seine Locken. „Trotzdem werde ich sie sofort weitergeben. Wir sollten uns so schnell wie möglich mit Herrn Sanders treffen."
Im Haus der Martens ließ er sich die Visitenkarte von Herrn Sanders geben, allerdings wollte er zunächst mit seinem Vorgesetzten reden.
Phil trat vor die Haustür. In seinem Kopf summte ein Bienenschwarm. Seine Eltern in einem Computerspiel gefangen – das klang so verrückt, dass Phils Verstand sich weigerte, sich etwas Derartiges vorzustellen. Durch modernste Technik konnte dem Spieler vorgegaukelt werden, dass er sich in einem virtuellen Raum befand. Damit kannte Phil sich gut aus, aber richtig eindringen in ein Spiel, das war eine andere Sache.
Einmal hatte sein Vater so eine merkwürdige Andeutung gemacht: „Stell dir vor, du wärst mittendrin in einem Spiel, könntest deinen Spielfiguren die Hand schütteln." Wenn Leo die Wahrheit sagte und der Digitalisierer funktionierte, könnte er seinen Eltern folgen. Er würde alles tun, um wieder bei ihnen zu sein. Doch dazu brauchte er dieses Spiel: Die Suche nach dem Drachenring . Ob es wohl gefährlich war? Höchstwahrscheinlich kamen Drachen darin vor, vielleicht auch andere Ungeheuer.
Zwei Mädchen aus Phils Klasse schlenderten die Straße entlang. Als sie Phil bemerkten, bogen sie tuschelnd in die Gasse gegenüber ein. Dabei mussten sie an einem alten Opel vorbei. Von Weitem sah der aus wie der Wagen, an dem Phil am Samstagmorgen vorbeigejoggt war. Und wenn er sich richtig erinnerte, hatte der auch vor dem Blumenstand gehalten. Aber er konnte sich auch täuschen.
Phil fiel ein, dass er noch für einen Englischtest lernen musste. Für den Rest des Tages zog er sich in sein Zimmer zurück.
Am Montagmorgen brachte Arne Phil zur Schule.
Bevor er sich verabschiedete, gab er ihm einen zerknitterten Zettel mit seiner Handynummer, „für alle Fälle". Kurze Zeit später war er in einer Staubwolke verschwunden.
Für Phil wurde es ein langer Tag. Er konnte sich kaum auf den Unterricht konzentrieren. Seine Gedanken kreisten um seine Eltern und um das, was er von Leo erfahren hatte. Mehrmals versuchte er Leo beizubringen, dass Arne Bescheid wusste, aber Leo ging ihm ständig aus dem Weg.
Die anderen sahen ihn teils neugierig, meist jedoch mitleidig an. Es kursierten die wildesten Gerüchte über eine Entführung der Martens und hohe Lösegeldforderungen, die Polizei habe schon Kontakt zu den Entführern aufgenommen.
Wenn es so wäre, wüsste ich wenigstens, woran ich bin‚ dachte Phil bitter.
In der letzten Stunde hatten sie Deutsch. Deutschstunden vergingen ohnehin langsamer als alle anderen, doch diese Stunde wollte gar nicht enden. Satzbau und Zeichensetzung. Phil konnte sich kaum etwas vorstellen, was ihm im Moment gleichgültiger sein könnte.
Als die erlösende Klingel ertönte, warf er seine Sachen in die Tasche und stürmte zur Tür. Frau Bratke, die nicht nur Deutsch und Englisch unterrichtete, sondern auch Phils Klassenlehrerin war, rief ihn zurück. Ergeben trottete Phil zum Lehrertisch. Frau Bratke sah ihn mitfühlend an. „Falls ich irgendetwas für dich tun kann, lass es mich bitte wissen."
„Ähm, danke, aber ich komme klar", sagte Phil. Die anderen Schüler strömten fröhlich lärmend hinaus.
„Hast du denn jemanden, der sich um dich kümmert?"
„Ja. Außerdem wohnt ein Polizist bei uns. Er bringt mich zur Schule und holt mich wieder ab. Bestimmt wartet er schon." Phil verspürte wenig Lust auf ein Gespräch mit seiner Lehrerin.
Frau Bratke lächelte. „Na, dann will ich dich auf keinen Fall aufhalten."
Der dunkelblaue VW stand tatsächlich vor dem Schulhof, mit Leo auf dem Rücksitz. Von ihm erfuhr Phil, dass sie mit Herrn Sanders verabredet waren.
Arne raste, als wolle er in der Innenstadt einen neuen Streckenrekord aufstellen. Gelbes Licht an Ampeln übersah er schlichtweg, nur rotes Licht veranlasste ihn, den Fuß kurzzeitig vom Gaspedal zu nehmen und auf der Bremse zu platzieren.
„Hinter wem sind Sie denn her?", fragte Leo, dem sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen war.
„Reine Gewohnheitssache. Im Dienst fahre ich grundsätzlich schnell. Ich hoffe, es macht euch nichts aus", erwiderte Arne, ohne die Geschwindigkeit zu verringern.
„Kein Problem." Leo presste sich die Hand auf den Mund.
Am Eingangstor von Sanders' Playworld stand nur noch ein Einsatzwagen. Die beiden Polizisten ließen sich von Arne die Dienstmarke zeigen und den
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