Die Suche nach dem Regenbogen
bemerkte, daß sich die grauen Wolken teilten, und da wußte er, Hadriel hatte ihn hereingelegt. Er wandte den grimmigen Blick zum Himmel, feuerte den Wind an und zog die Unwetterwolken erneut zusammen. Dann blähte er sich etwas auf, erhob sich von seinem Sitz hoch in die Luft und ließ sich die ersten Regentropfen auf das wirbelnde, rauchige Grün seines nur zur Hälfte sichtbaren Körpers klatschen. Dann blickte er über die Schulter und höhnte über Hadriel, der noch immer in der Takelage unter ihm saß.
»Deine Worte werden dir noch leid tun, wenn ich die Schiffe allesamt versenkt habe und dazu dieses alberne pausbäckige Mädchen, dem du folgst. Blubb, blubb, blubb. Pferde, Wagen, Soldaten, Silber, Seidenkleider, Prinzessin, einfach alles. Hinunter damit auf den Meeresgrund. Dann kann der französische König nicht heiraten, und ich habe Vergeltung geübt und bin frei. Ha! Da erkennst du, wie schlau ich bin.« Der Wind blies jetzt heftig, und die Flotte verteilte sich auf den dunklen Wellen. Aus dem schwarzen Himmel goß es in Strömen. Mit den nassen Segeln und den vergoldeten und geschnitzten hohen Aufbauten waren die Schiffe buglastig und krängten, daß es Hadriel von seinem Sitz riß. Er entfaltete die großen Flügel und erhob sich in die wirbelnde Luft. Der Dämon lachte. »Siehst du? Selbst du gibst sie auf, du Fliegengewicht, du Niemand, du Federvieh!«
Regen lief Hadriel über Gesicht und Haar, als er erzürnt den Hauptmast des Schiffes packte und sich dagegen stemmte, damit er sich wieder aufrichtete. Das Rauschen seiner großen Flügel ging im Brausen des Windes unter. Doch der Dämon war älter und stärker, er packte den Mast von der anderen Seite und stemmte sich dagegen, dann setzte er sich darauf und hockte sich hin wie ein riesiger Aasgeier. Mit dem ganzen Gewicht seiner verderbten Jahrhunderte drückte er den sich wehrenden Engel nach unten. Die hohen Wellen kamen den Geschützpforten schon bedrohlich nahe. Man konnte eine Frau kreischen hören. Aus dem Inneren des Schiffes drangen die verzweifelten Rufe der Männer an den Pumpen, die sich in den aussichtslosen Kampf gegen das eindringende Wasser stürzen wollten.
»Warum?« rief Hadriel, und der Regen lief ihm wie Tränen über das Gesicht. »Warum dieses Schiff?« Der Mast neigte sich tiefer. Noch etwas tiefer, und das graue Wasser würde durch die Geschützpforten eindringen und das Schiff zum Sinken bringen.
»Habe ich dir doch gesagt«, höhnte der Dämon. »Weil es die Prinzessin an Bord hat. Und deinen kleinen Schützling. Meinen ersten Plan hast du hintertrieben. Ich wollte geboren werden, als Mensch auf Erden wandeln und Unheil stiften. Du hast meine Geburt vereitelt. Und jetzt nutze ich meine Freiheit auf andere Weise. Und übe Vergeltung an dir. Siehst du, wo ich bin? Über dir, Hadriel. Ich spucke dir auf den Kopf.« Dicht neben ihnen schlug ein Blitz ein, und Hadriels blasses Gesicht leuchtete sonderbar grünlich.
»An mir kannst du gern Vergeltung üben, aber damit hast du deine Freiheit noch lange nicht, du Einfaltspinsel.« Hadriel redete schnell und spöttisch und versuchte, Belphagor abzulenken. Die buschigen Augenbrauen des Dämons wölbten sich. Der Donner rollte.
»Aber natürlich doch. Und für ein kleines Ding kommt sie mich billig zu stehen.« Belphagor blickte selbstgefällig.
»Erinnere dich an den Zauberbann, mit dem dich die Tempelritter belegt haben. Das war nicht nur Vergeltung am König von Frankreich, das war Vergeltung am König von Frankreich und seinem ganzen Haus. Außerdem hast du den falschen König erwischt. Du willst König Philipp haben, und der ist tot. Aber frei bist du erst, wenn du dich an seiner ganzen Familie gerächt hast. Ha! Du bist lange Zeit eingesperrt gewesen, Belphagor. Wahrscheinlich zählt diese Familie jetzt Hunderte.« Blitze schossen im Zickzack an ihnen vorbei, ihr Strahl erhellte das dunkle Wasser.
»Erwartest du etwa, daß ich sie alle durchzähle? Die sind doch alle gleich. Außerdem sind es so viele.« Wieder krachte der Donner.
»Ein Zauberbann ist ein Zauberbann. Es ist aus mit dir, Belphagor. Keine Ferien mehr. Keine Besuche bei deinen Vettern in der Hölle. Und wenn ich mich recht entsinne, so ist Enepsigos sehr verärgert, weil du sie letztens nicht mehr besucht hast.« Hadriel ermattete merklich, so gewaltig war die Anstrengung, zu reden und das Schiff auf Kurs zu halten. Zum ersten Mal in zehntausend Jahren mischte sich Schweiß unter den Regen auf seinem
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