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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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hat es verboten.«
    »Ich mogele nicht, aber sie. Flieg doch hin und überzeuge dich, und dann komm zurück. Wahrscheinlich setzt du dann keine fünf mehr auf die Engländer.« Der erste kleine Engel ließ die rundlichen, rosigen Füße über den Rand des Baldachins baumeln. Unter ihm blickte die Königin hoch und sah, daß sich die Fransen des Baldachins so eigentümlich bewegten. Der Wind frischt auf, dachte sie. Wir müssen den König wieder nach drinnen bringen. Sie meinte auch ein Flattern zu hören, doch das kam gewiß von den königlichen Fahnen, die über dem Baldachin im Wind knatterten.
    Der dunkeläugige Cherub flog ganz um die französischen Zelte herum. Unter ihm ein wildes Durcheinander von Männern und Pferden, Sänften, Wundärzten, Waffenschmieden, die Dellen ausbeulten, Knappen, die Helme und Brustharnische polierten, Stalljungen und Stallmeistern und Pagen, die Botengänge machten und Nachrichten übermittelten. Er flog durch die Zeltwand in das seidengeschmückte Zelt des Dauphins und hockte sich auf eine Rüstung, die blank poliert und bereit in der Ecke stand. Franz war in das schwere, gesteppte Lederwams gekleidet, das er unter seiner Rüstung trug, und seine Ritter und Knappen umringten ihn. Vor ihm stand der größte Mann, den man je in Frankreich gesehen hatte, ein wahrer Hüne mit hellbraunem Bart und groben, grimmigen Zügen.
    »Du meine Güte, wo habt Ihr denn den aufgetrieben, mein lieber Bourbon?« fragte der Herzog von Alençon einen hochgewachsenen, dunklen Mann, der ziemlich sauertöpfisch dreinblickte und dessen Kleidung unter dem Turnierharnisch schweißfleckig geworden war.
    »Den habe ich durch Vermittlung des Kaisers bekommen«, sagte der Herzog von Bourbon, »und ihn als Botschafter des guten Willens einladen lassen.«
    »Guter Wille, ha«, lachte d'Alençon.
    »Überbringt meinem teuren Freund, dem Herzog von Suffolk, diese Botschaft«, sagte Franz. »Der Finger, den ich mir bei der letzten Begegnung verwundet habe, ist noch immer nicht einsatzfähig. Ich bin ihm äußerst dankbar, daß er eingewilligt hat, den geheimnisvollen Herausforderer an meiner Statt anzunehmen.« Es gab einige Verwirrung, und ein Page in Samtlivree rannte davon, um dem Herzog die Botschaft auszurichten. Die französischen Ritter lachten schallend, und der hünenhafte Kämpe gluckste stillvergnügt in sich hinein.
    »Und jetzt braucht Ihr einen französischen Umhang, mein lieber Chevalier«, sagte Franz. »Und hier habt Ihr einen französischen Helm, damit Euer deutscher Euch nicht verrät.«
    Während die Knappen den riesigen Deutschen rüsteten, machten die französischen Ritter Bemerkungen über ihn, als wäre er gar nicht anwesend.
    »Mein Gott, das ist ja ein Ungeheuer.«
    »Was nur gerecht ist. Die Engländer sind zu groß. Das ist Betrug. Es gibt ihnen einen ungebührlichen Vorteil.«
    »Der ist zweimal so groß wie der Ochse Suffolk. Der bringt uns gewiß den Sieg.«
    »Ein Deutscher, der für Frankreich kämpft, wenn das kein Witz ist.«
    »Chevalier, wir zeigen Euch jetzt Suffolks Tricks. Denkt daran, daß er immer von unten nachstößt – damit hat er auch mich hereingelegt.«
    »Meint Ihr, daß Ihr das verstanden habt?«
    »Ich habe den Gegenhieb erst gestern geübt. Vergeßt nicht, ich habe für den Kaiser gekämpft«, erwiderte der hünenhafte Ritter. »Der Engländer fällt mit Sicherheit.«
    Der kleine Engel in der Ecke zwitscherte vor Entrüstung. Wenn das nicht ungerecht war, er durfte nicht mogeln, und diese Franzosen mogelten so unverschämt. Verärgert rümpfte er die Nase, stieg durch das Zeltdach auf und flatterte zu den englischen Zelten hinüber. Hier herrschte das gleiche Durcheinander von Pferden, Knappen, Waffenschmieden und Gaffern, die alle durch den Morast hinter den Turnierschranken staksten. Der französische Bote schob sich zwischen zwei Frauen durch, eine mit einem Zeichenbrett bewaffnet, die andere mit einem Holzkasten. Hinter den beiden zockelte ein uralter Lakai in der Livree der Herzogin von Alençon, der einen Schemel trug. Aha, dachte das kleine Geschöpf, als es über sie hinwegflog, das muß Mistress Susanna sein, die immer so lustige Bilder malt.
    »Mistress Susanna, Mistress Susanna, schaut geradeaus, und dann kehrt um.« Susanna blickte in die Luft und sah nichts. Sie rieb sich das Ohr und überlegte, woher das klare Kinderstimmchen gekommen sein mochte. Dann schaute sie geradeaus und erblickte zwei Männer, die ihr den Rücken zukehrten und auf riesigen

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