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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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schwarzen Pferden auf die Turnierschranken zuritten. Beim Anblick des einen außergewöhnlich rundlichen Mannes in dem schweren grünen Gewand stockte ihr das Blut in den Adern.
    »Wir müssen fort«, sagte sie zu der älteren Frau, die den Kasten trug.
    »Endlich kommst du zur Vernunft«, gab die Alte zurück. Der Lakai, der kein Englisch verstand, sagte gar nichts.
    »Nein, es ist viel schlimmer. Ich habe den Mörder gesehen. Er ist hier.«
    »Hier? Wozu um Himmels willen? Er muß dir gefolgt sein.«
    »Ich habe dir doch gesagt, er will, daß niemand davon erfährt.«
    Von Angst gepackt, drehte sie sich um und rannte davon, stolperte über einen Zeltpflock und schlug der Länge nach in den Dreck. Der Handlanger eines Waffenschmieds kam ihr zu Hilfe, und als sie eine Frau an diesem fremdländischen Ort Englisch sprechen hörten, boten auch andere Neugierige ihre Hilfe an, zogen an ihrem Ellenbogen und hoben ihr Zeichenbrett aus dem Dreck. Neugierig geworden, kehrte der dunkeläugige kleine Engel, der über diesem Aufruhr flatterte, um und lauschte.
    »Oh, ein Bild«, sagte der Helfer des Waffenschmieds. »Eine Skizze von unserem Herzog, wie er diese französischen Gecken besiegt. Aber seht her, die Oberarmschiene habt Ihr ganz verkehrt gemalt. So sieht die aus.«
    Jemand hielt Susanna das zerdellte Exemplar einer Oberarmschiene vor die Nase, während Nan versuchte, ihren Rock zu säubern.
    »Mistress Dallet, Mistress Dallet!« rief eine Jungenstimme. Susanna blickte auf, als sie ihren Namen hörte. Die Stimme kickste zwischen hoch und tief und klang bekannt.
    »Kennst du die?« fragte jemand.
    »Aber ja, das ist Mistress Dallet. Sie ist die wunderbarste Malerin auf der ganzen Welt«, sagte die bekannte Stimme. Susanna blickte erstaunt auf.
    »Tom! Oh, Tom, dann bist du doch kein Geist? In wieviel Nächten habe ich nicht geträumt, daß du ertrunken bist.«
    »Ich bin kein Geist, da könnt Ihr jeden hier fragen. Ich – ich wollte ja auch nach Euch suchen, aber man hat mich hier so auf Trab gehalten.«
    »Tom, mir hat man erzählt, daß du zusammen mit Master Ashford mit der ›Lubeck‹ untergegangen bist.« Und dann warf Susanna dem linkischen, sommersprossigen Jungen die Arme um den Hals, und der errötete heftig.
    »He, Mistress, ich wäre auch fast mit der ›Lubeck‹ untergegangen«, sagte ein Spaßvogel.
    »Ich auch«, rief ein anderer.
    »Wie bist du hierhergekommen, Tom?«
    »Master Ashford hat mich mit seinem eigenen Gürtel an einer Spiere festgebunden, obwohl er selber durch das losgerissene Geschütz und seinen Sturz schlimm verletzt war.«
    »Dann ist er also wie ein Held gestorben, so wie man es sich erzählt.«
    »Er ist nicht tot, Mistress Susanna. Er kuriert sich mit den übrigen Geretteten in Calais aus. Er hat mir eine Stellung als Stalljunge verschafft. Selber war er noch zu krank und konnte nicht mitkommen, und er sagt, er muß auf einen Brief vom Erzbischof warten.«
    Susanna sah verstört aus. »Er lebt«, flüsterte sie. »Er lebt.«
    »Er sagt, Unkraut vergeht nicht, auch wenn sich andere noch so darüber ärgern.«
    »Dann ist er ganz der alte…«
    Tom sah ihre Miene, und auf einmal war er zornig und neidisch und hatte deswegen ein schlechtes Gewissen, weil das undankbar von ihm war. Ihm war jedoch jählings aufgegangen, daß Susannas Gesicht seinetwegen noch nie so gestrahlt hatte und es auch nie tun würde. Die Eifersucht nagte an ihm. Er steckte die Daumen in den Gürtel und legte den Kopf schief. »Nein, nicht mehr der alte. Ihm ist etwas aufs Gesicht gefallen. Es ist ganz zerquetscht.« Und nicht mehr schön, auch wenn ich selbst unansehnlich bin, dachte er mit Genugtuung und sah Ashfords blutunterlaufene Augen und das geschwollene, entstellte Gesicht vor sich. »Er war sehr krank und hat gehustet und jede Menge Unsinn geredet. Jede Menge. Er ist nämlich durch und durch mißtrauisch. Und was er gesagt hat, das würde Euch nicht gefallen. Ich jedenfalls bin Euch immer treu gewesen, Mistress Susanna, immer.«
    »Kommt er, Tom? Glaubst du, daß er kommt?«
    »Heda, Tom, du Lümmel. Du wirst gebraucht, sollst einen Umschlag machen. Das beste Pferd des Herzogs lahmt, er ist ganz außer sich.«
    Ein hochgewachsener Unbekannter mit Zaumzeug über der Schulter trat zu ihnen und zog Tom fort.
    »Na dann«, sagte Tom widerwillig, kehrte Susanna den Rücken und folgte dem Fremden. Die Augen des kleinen Engels über ihnen, der ganz in ihrer Nähe gelauscht hatte, strahlten vor Freude, seine

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