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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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gewesen seid.«
    »Gleich, Nan, laßt mich erst meine Sachen nach oben bringen.« Ich betrat das dunkle Atelier mit einem Binsenlicht, doch als ich meine neuen Farben auf das Bord legte, senkte sich ein dunkler, schwerer Schatten auf mich, und mir war zumute, als befände sich etwas Böses im Raum, genau das Gefühl, das ich in dem Gäßchen hatte, als Master Ludlow ermordet wurde. Lieber, lieber Gott, betete ich bei mir, ich brauche dringend Hilfe, auch wenn ich sie letztens nicht gerade verdient habe. Und dann war mir, als hörte ich etwas Wundersames. Etwas Fedriges und Raschelndes, genau wie damals, als ich die Miniatur für die Franzosen malte. Und auf einmal lachte es von fern glöckchenhell und sehr lieblich. »Wer ist da?« rief ich und drehte mich jäh um.
    »Keine Angst«, sagte eine reizende Stimme, »ich werde mit allem fertig.« Etwas oder jemand stand, eingehüllt in einen Umhang, in der Ecke des Ateliers. Mir zitterten die Knie, ich hielt das Binsenlicht hoch, und in seinem flackernden orangefarbenen Schein erblickte ich das hübscheste Gesicht, das ich meiner Lebtage gesehen hatte. Ob Mann oder Frau, das konnte ich nicht ausmachen.
    »Wie seid Ihr hereingekommen? Seid Ihr mir gefolgt?«
    »Oh, ich folge Euch schon eine geraume Weile. Aber im Augenblick braucht Ihr mich besonders dringend. Es hat Euch nach Haus verfolgt, daher dachte ich, ich sehe einmal nach dem Rechten.«
    »Was ist es?«
    »Ach, Ihr würdet Euch nur Sorgen machen, wenn Ihr Bescheid wüßtet. Chaotische Geister sind dazu geschaffen, Unheil zu stiften, mehr nicht. Wenn Ihr nichts dagegen habt, so begleite ich Euch jetzt nach unten und liefere Euch wohlbehalten dort ab.«
    »Was meint Ihr damit?« fragte ich erschrocken.
    »Na ja, dieses Es könnte Euch ein Bein stellen und Eure Röcke in Brand setzen. Es ist ziemlich aufgeblasen wegen des Unheils, das es gerade erst gestiftet hat, und es weiß, daß Ihr mir am Herzen liegt. Kommt, ich halte Euch am Ellbogen fest, während wir nach unten gehen.«
    »Aber die Treppe ist zu eng für zwei.«
    »Ich brauche keine Treppe«, sagte das liebliche Wesen und kam näher. Es hatte lange braune Locken und wirkte irgendwie durchscheinend, und unter seinem schlichten Umhang konnte ich ein hübsches Gewand erkennen. Doch das arme Ding hatte einen Buckel. Hinter seinem Kopf war ein großer, zitternder Klumpen, den es unter dem schweren Umhang versteckte. Außerdem ging es barfuß, und die blassen Füße wirkten zu zart für unsere abgesplitterten Dielenbretter. Als ich jedoch die schmale Wendeltreppe hinunterging, das Binsenlicht in einer Hand und das Buch unter dem anderen Arm, da spürte ich, wie mich etwas Starkes festhielt, und meine Füße traten ungewöhnlich sicher auf, obwohl die Stufen sehr abgetreten und stellenweise glatt sind.
    »Wer ist denn das?« rief Mistress Hull. »Wie ist denn der in Euer Zimmer gekommen? Ich könnte schwören, ich habe heute niemanden nach oben gelassen. Na schön, so wie ich Eure Freunde kenne, wird er vermutlich mit uns zu Abend essen wollen.« Das Gesicht des Besuchers verzog sich zu einem höchst belustigten Lächeln, anscheinend hatte er noch nie etwas so Komisches wie Mistress Hull erblickt.
    »Ich bin Hadriel«, sagte er oder sie, so als ob das alles erklärte.
    »Also gut, Master Hadriel – oder ist das Euer Taufname? Der hört sich für mich nicht danach an, als wärt Ihr viel mit dem Taufwasser in Berührung gekommen, aber laßt nur – Ihr seid zum Abendessen eingeladen, wenn Ihr wollt – das heißt, na ja, es sollte sich nicht knickerig anhören, Ihr seid herzlich willkommen –« Hadriel lachte, als er sah, wie verwirrt Mistress Hull war, und der Laut vertrieb die Schatten aus allen Zimmerecken.
    »Ich würde sehr gern zu Abend essen«, sagte er – oder war er eine Sie? Ich hätte es noch immer nicht zu sagen gewußt. Und ein Name wie seiner, nun, ein richtiger Taufname war das nicht, daher half er mir auch nicht weiter. Mistress Hull war sich jedenfalls sicher, also würde es bei Master Hadriel bleiben. Er folgte uns mit belustigter Miene in die Küche, dort stellte er sich neben die breite steinerne Feuerstelle und musterte den Kochtopf, der dort hing und in dem es blubberte, so als hätte er noch nie dergleichen gesehen. Alle setzten sich in die Küche, denn dort war es heimelig und angenehm, und es roch gut.
    »Wer ist denn das?« fragte Tom argwöhnisch und eifersüchtig. Ich konnte ein Flattergeräusch hören, so als hätte sich eine Fledermaus

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