Die Suche nach dem Regenbogen
ketzerischen Katharer. Es wurde schon immer gemunkelt, daß sie den Gral aus dem Heiligen Land herausgeschmuggelt und dort versteckt hätten. Doch als die Inquisition sie alle umgebracht hatte, konnte niemand das Versteck finden. Wer den Gral findet, kann über die ganze Christenheit gebieten, so sagt man. Oder wenn es ein Ungläubiger ist, so kann er sie zerstören. Gralsgeheimnisse sind bei uns heißbegehrte Ware. Nur noch übertroffen vom Stein der Weisen oder der unsichtbar machenden Salbe.«
»Salbe, die unsichtbar macht? Wie könnt ihr die verkaufen? Sowie die Leute merken, daß sie nicht unsichtbar sind, kommen sie zurück und belangen euch.«
»O nein. Man muß sich dafür mit den richtigen Ritualen reinigen und eine sehr schwierige Formel vollständig aufsagen, ohne zu zögern. Und dabei kommt jeder ins Stocken. Also – wird er nicht unsichtbar. Manchmal sagt der Meister auch, daß ein Fluch auf jedem liegt, der sie nicht vollständig aufsagt. Und dann stocken sie ganz gewiß. Ein einziges Stottern, und Schluß! Dann sind sie verflucht und kommen und wollen ein Exorzismus-Handbuch haben. Da fällt mir ein, die müssen wir neu drucken. Ihr kennt nicht zufällig einen billigen Drucker, oder? Dieser Tage muß ich das alles für Master Ailwin erledigen, und unseren alten Drucker hat man eingesperrt.«
»Warum laßt Ihr sie nicht einfach kopieren?«
»Weil sie dann teurer würden, und Ihr kennt ja den Meister. Er sagt, es ist ungerecht, daß diese Geheimnisse nur für die Reichen sein sollen.«
»Aber wenn es doch Fälschungen sind, Tom? Das hast du doch gerade gesagt. Hält er es nicht für besser, die Reichen zu täuschen anstatt die Armen?«
»Das kommt von den Sitzungen der Gesellschaft. Die regen ihn immer so auf. Und dieser Tage behält er nicht mehr als eine Sache im Kopf. ›Alles für die Armen‹, so sagt er, ›es muß endlich Schluß sein mit dieser verfluchten Ungerechtigkeit.‹«
»Die Gesellschaft? Welche Gesellschaft?«
»Ach Mistress Susanna, das darf ich nicht verraten. Aber Eure lieben blauen Augen sagen mir, daß Ihr sie nicht für böse haltet. Es ist die Gesellschaft der Wahren Frommen. Sie treffen sich und disputieren über die Bibel, wollen Datum und Art der Wiederkunft Christi bestimmen. Doch meistens disputieren sie darüber, wie der Himmel beschaffen ist. Gibt es dort neben Milch und Honig auch Ale, welche Art Musik wird gespielt, ist das Tanzen gestattet, und wenn man mehr als einmal verheiratet gewesen ist, lebt man dann mit allen seinen Frauen zusammen, solche Fragen eben. Ihr dürft sie nicht verraten. Obschon es Ketzerei ist, sind sie harmlos, und es hält sie beschäftigt.«
»Ich würde meinen Mann im künftigen Leben gewiß nicht wiedersehen wollen. Hoffentlich behalten sie ihn in der Hölle.«
»Oh, liebe Mistress Dallet, wie schlecht, wie grausam muß er doch zu Euch gewesen sein… oha, vorn gibt es Ärger.« Durch die offene Tür drang Geschrei und Gestampfe zu uns. »Mistress Dallet, ich bin mit Euren Päckchen fertig. Dort ist die Hintertür, dann müßt Ihr nicht an den Streitenden vorbei. Ich muß dem Meister helfen. Oh, warum gibt Gott ihm nicht seinen Verstand zurück?« Er legte das Geld, das ich ihm gab, in eine Kassette, griff sich eine schwere Eisenstange und lief nach vorn, um Master Ailwin zu helfen.
»Betrug! Man hat mich betrogen!« brüllte es vorn im Laden. Ich schlich mich näher und versteckte mich hinter aufgestapelten Fäßchen. Wer war betrogen worden? Ich konnte den Ärmel einer Juristenrobe heftig gestikulieren sehen. Ein betrogener Advokat? Gut, das geschah ihm recht. Ich lugte um die Tür. Oh, das geschah ihm mehr als recht. Es war Master Ludlow, der gräßliche Advokat, der mir das Bett meiner Mutter weggenommen hatte. Sein sonst so bleiches Gesicht war hochrot. »Diese Verse der Prophezeiung sagen nichts darüber aus, wo er gelegen ist?«
»Nein, Master Ludlow, denn Ihr habt nur den letzten Teil des Buches. Das hier sind mächtige Weissagungen über eine ferne Zukunft. Der Untergang der französischen Könige wird die Könige der Erde vernichten, ein großer Kaiser wird erstehen, der sowohl die christlichen wie die heidnischen Länder erobert, danach versinkt auch er im Chaos – es muß bedeuten, daß das Ende des Hauses Valois bevorsteht, was vom Finder des Geheimnisses bewirkt wurde…«
»Oh, verflucht sei Simon Magus! Warum hat er das Geheimnis nur nicht ans Ende des Buches gesetzt? Wen schert schon der Untergang von Königen?
Weitere Kostenlose Bücher