Die Suche nach dem Wind
verbannen und dich hatte sie ganz in ihrer Gewalt. Du hast nie ernsthaft geglaubt, deiner Großmutter könne etwas an dir liegen, oder? Tat es auch nie. Sie hat dich genauso gehasst und gefürchtet wie mich, nur weil du mein Sohn bist. Sie erkannte sicher schnell deine Stärke und setzte alles daran, dich zur Waffe gegen mich zu formen. Ihr Triumph wäre wahrlich perfekt, wenn ausgerechnet du mich töten würdest. Das wäre ihr Meisterstück. Danach würde sie dich mit einem Lächeln auf den Scheiterhaufen schicken. Vielleicht würde sie dir auch einreden, dich wegen der ach so großen Familienehre besser selbst zu töten - genau wie sie es bei Joanna getan hat. Ich glaube fast, sie hat es schon getan. Hast du ihr versprechen müssen, lieber in den Tod zu gehen, bevor du den Namen einer langen Reihe edler Helden befleckst? Ich bin ein großer Magier, Aeneas, doch ich war nie ein Zerstörer, bevor deine Großmutter mich dazu machte. Joannas Tugenden hätten auch die meinen werden können. Ohne deine intrigante Großmutter wären wir jetzt eine glückliche Familie – deine Mutter, du und ich. Aber ihre Angst vor der Macht Loths war und ist einfach zu groß und das nicht zu Unrecht. Die Rhan-Magie ist armselig dagegen. Hat sie dir verboten, in ihrer Nähe Magie anzuwenden?«
Aeneas konnte seinen Blick nicht von den Augen seines Vaters lösen. Alles andere begann zu verschwimmen. Die Konturen lösten sich langsam auf. Worte seiner Großmutter vermischten sich mit denen seines Vaters. Er hörte plötzlich ihr boshaftes Lachen und ihre kalte Stimme: Deine Mutter ist tot. Das ist alles, was du wissen musst. Tote Leute sind nicht mehr von Belang! Wer dein Vater war? Woher soll ich das wissen? Ein unerwünschter Bastard wirst du sein. Du bist mein Enkel, das muss dir reichen. Er hörte die vertraut klingende Stimme seines Vaters und spürte die Schläge mit dem knotigen Stock seiner Großmutter, wenn er es als Kind nicht schnell genug geschafft hatte, seine Magie unter Kontrolle zu bringen.
Karon lachte dunkel auf. »Du schweigst? Sie hat es dir also verboten! Keinem anderen, nicht wahr? Nur dir! Hast du dich denn nie gefragt, warum? Sie hatte Angst vor dir, weil sie um deine Stärke wusste. Ich könnte mir vorstellen, dass sie jetzt vor ihrer grünen Kugel sitzt und sich vor Vergnügen die Hände reibt. Die Einzige, die bei einem Kampf zwischen uns gewinnen kann, ist sie. Komm endlich zu dir, mein Sohn! Auf Rhanmarú erwartet dich unweigerlich der Tod, an meiner Seite erwartet dich eine blühende Zukunft. Du hast dich doch immer nach einer Familie gesehnt. Deine Mutter konnte sie dir nicht bieten, deine Großmutter wollte sie nicht für dich sein, aber ich bin dein Vater, Aeneas, und ich wünsche mir nichts sehnlicher als eine Familie.«
»Worüber reden sie, Vater?«, fragte Erik nervös. »Kannst du sie verstehen?«
Der nickte matt. »Karon versucht, ihn für sich zu gewinnen. Dieser Teufel hat wirklich hypnotische Kräfte. Wir hätten Aeneas nie allein gehen lassen dürfen. Das schafft er nicht, das kann er gar nicht schaffen. Eine Schwäche konnte er verbergen, dafür hat er eine andere preisgegeben. Karon scheint genau zu wissen, womit er ihn ködern kann.«
Erik dachte an Anna, Gamal und die Illusion und schluckte.
»Können wir denn nichts tun?« Ermas Stimme war fast nicht zu hören. »Aeneas sagt gar nichts mehr. Karon scheint ihn völlig in seinem Bann zu haben.«
»Wir müssen ihn stören«, murmelte Erik und sah um sich herum. Ohne weiter darüber nachzudenken, ergriff er einen faustgroßen Stein, zielte kurz und warf ihn kraftvoll seinem Freund zwischen die Schulterblätter.
Aeneas zuckte zusammen, und der Blickkontakt zu Karon zerriss. Er hörte Erik stöhnen und wandte sich immer noch leicht benommen um.
Es sah aus, als versuche der Junge, unsichtbare Hände von seinem Hals zu entfernen.
»Lass ihn los, du Bastard!«, brüllte Duncan gerade wutentbrannt.
Aeneas kam in die Wirklichkeit zurück. »Gib den Jungen frei!«
Erik sackte umgehend in Duncans Armen zusammen und schnappte hörbar nach Luft. Bevor der Ringlord sich wieder dem Schwarzmagier zuwandte, sah er noch einmal Duncan an. »Schaff die beiden endlich von hier weg! Bitte!«
Karon war nahe daran, mit den Zähnen zu knirschen. Er war so nah dran gewesen, seinen Sohn für sich zu gewinnen. Jetzt spürte er wieder dessen Ablehnung.
»Versuch das nicht noch einmal«, bestätigte Aeneas dieses Gefühl. »Du kannst mich nicht ewig
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