Die Suche nach der Sonne
eines anderen Namens gab Ancor die Daten unter der Überschrift E 12 ein. Er runzelte dabei die Stirn. Es gab keinen logischen Grund, diese Bezeichnung einer anderen vorzuziehen.
Der Hauptunterschied zwischen E 12 und ihrem Gegenstück in der Mars-Umlaufbahn lag im Klima. Die Sensoren maßen Bodentemperaturen weit unter dem Gefrierpunkt; riesige Gletscher bedeckten das Land. Als Maq sich zu den anderen in der Beobachtungskuppel gesellte, bestätigten sich die Werte auf den Schirmen in erschreckender Weise: Zumindest in dieser Region war E 12 ein gefrorenes, unwirtliches Ödland, das von furchterregenden Stürmen gepeitscht wurde. Nur hin und wieder wurde der Eis- und Schneepanzer von einem felsigen Gipfel durchbrochen. Die Landschaft war ansonsten so gleichförmig und der Himmel so fahl, daß man nur mit großen Mühen ausmachen konnte, wo das eine aufhörte und das andere anfing.
Ancor kehrte zum Computer zurück und tippte unter der Überschrift E 12 ein:
EINE WEITERE RANDWELT: WAHRSCHEINLICH UNBESIEDELT.
Dann setzte er sich und fragte sich, warum ihn der Eintrag derart beunruhigte. Die Oberfläche der Erd-Schale betrug ungefähr das fünfhundertundfünfzigmillionenfache derjenigen von E 12, was die Käfigwelt oberflächlich betrachtet kaum einen Gedanken wert erscheinen ließ. Dennoch bedeutete dieser große, kalte Ball unter ihnen ein ernstes Rätsel: Welten waren zum Leben da – aber diese hier schien tot.
Kapitel 18
Je weiter sie flogen, desto lebloser und wüster schien E 12 zu werden. Sie beobachteten die Landschaft unter ihnen sorgfältig in der Hoffnung, Anzeichen von Leben zu entdecken. Zahlreiche zugefrorene Seen und Meere deuteten darauf hin, daß, abweichend von Zeus’ üblichen Maßstäben, ungefähr 70 Prozent der Oberfläche mit Wasser bedeckt war. Sie entdeckten nirgends Anzeichen von Besiedlung.
Es war ein entmutigender Flug. Sie untersuchten die riesigen Gletscher und stießen in niedriger Höhe über Eiskämme hinweg. Überall dort, wo ihnen das Licht für einen Augenblick Farben vortäuschte, die vielleicht auf Leben hindeuteten, stellten sie genauere Untersuchungen an. Sie wurden jedesmal enttäuscht. An manchen Stellen erstreckten sich ausgedehnte Waldgürtel entlang der höheren Erhebungen, und manchmal fanden sie Spuren im Schnee, die möglicherweise von einem Schlitten stammten. Doch jedesmal stellte sich heraus, daß die Spuren von einem heruntergerollten Felsen oder einem umgefallenen Baum herrührten.
Maqs Instrumente analysierten das Problem. Der gesamte Wärmezufluß der Käfigwelt war weit unter der solaren Norm, weil alle örtlichen Proto-Sonnen unglaublich alt waren, und man sie offensichtlich nicht ersetzt hatte, wie man das mit den Proto-Sonnen über einer größeren Schale getan hätte.
Als Ancor die Höhe des Strahlungsausstoßes der Proto-Sonnen über E 12 las, gab er die Hoffnung, dort menschliches Leben zu finden, fast völlig auf. In den Waldgürteln gab es pflanzliches Leben, und in den großen, grauen Meeren konnten wahrscheinlich Fische überleben, aber Landsäugetiere fehlten entweder völlig oder kamen nur in so kleiner Anzahl vor, daß die Beobachter an Bord der Shellback keine Spur von ihnen finden konnten.
Dann, als sie fast 13.000 der vorgesehenen 20.000 Kilometer zurückgelegt hatten, sichtete Cherry etwas, das sie zu einer vollkommenen Neubewertung der Situation veranlaßte. Cherrys Augen waren es müde gewesen, immer nur das endlose schnee- und eisbedeckte Ödland zu betrachten, und hatten sich auf jedwede Art von Unterschieden eingestellt. Auch wenn sie in großer Höhe flogen, hatte er ohne technische Hilfe gesehen, was die anderen mit ihren Teleskopen übersehen hatten – eine winzige Reihe schwarzer Flecken im Schnee. Als sie die Flecken in niedriger Höhe überflogen, stellten sie sich als ein Rudel Wölfe oder Hunde heraus. Maq entschied, daß sie der Sache nachgehen sollten, denn wo Hunde überlebten, konnten es möglicherweise auch Menschen.
Unglücklicherweise verschwor sich das Wetter gegen sie. Die Shellback wurde in niedriger Höhe von einem derart heftigen Schneesturm erfaßt, daß weitere Untersuchungen unmöglich wurden. Sie hätten vor dem Sturm in die Stratosphäre fliehen können, aber damit wären sie das Risiko eingegangen, diesen unscheinbaren Ort zu verlieren. Deshalb entschied sich Ancor zu landen und abzuwarten, bis sich der Schneesturm legte.
Er überließ es Cherry, den besten Landeplatz auszusuchen, und der
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