Die Suche
gefährlich in Marcus Händen. Doch Adams Entschluss stand fest. Er würde Alexa befreien. Koste es, was es wolle. Seufzend ließ er den Ring in seine Hosentasche gleiten, zog sein Handy heraus, wählte eine Nummer und wartete, bis jemand abhob.
13. Kapitel
Versdailles, Ludwig XIV, 1682 im Sommer
« Ich bin entzückt, Monsieur Ellery »
"Schon fertig?"
Adam hatte gerade den letzten Punkt gesetzt, als die Tür seines kleinen Schreibkabinetts sich öffnete. Lebhaftes Stimmengewirr und Fetzen von Musik drangen von draußen herein, ehe Maurice die Tür wieder hinter sich zuzog und sich Adams Schreibpult näherte.
"Jawohl, Monsieur. Hier ist die Verfügung für die Palastbäckerei ... die Anweisungen an die Teppichweber ... die Abrechnung der Stellmacherei. Und eine Aufstellung aller Ausgaben im vergangenen Halbjahr. Wenn die Bemerkung gestattet ist, die Heizkosten übersteigen jedes gekannte Maß. Die Erlauchten Majestäten müssen ja vielleicht nicht im West- und im Ostflügel gleichzeitig heizen lassen?" Maurice zuckte mit den Schultern, dass die Löckchen seiner Perücke wippten. "Nicht meine Entscheidung, Monsieur. Und Wälder gibt es noch genug ringsum."
Adam nickte und siegelte das letzte Schriftstück mit dem Wappen der königlichen Schreibstube.
"Sehe ich Euch heute Abend beim Maskenball?", fragte Maurice. Adam hörte die Hoffnung in der Stimme des jungen Mannes. Er zögerte. Maurice de Bourgerac war sein direkter Vorgesetzter. Ein hübscher junger Bursche, schmal und zierlich, mit weichen Gesichtszügen und hellen Augen. Adam mochte ihn, und er glaubte, dass der andere ihm versteckte Zeichen gab. Mit den Locken seiner Perücke spielte, sich die Unterlippe zwischen die Zähne zog, Adams Arm berührte, so oft es nur ging. Wenn er sich allerdings irrte, dann war er seine Stellung los.
Adam war immer noch fasziniert davon, dass er, ein Bauernjunge ohne Herkunft, es am Hof des Sonnenkönigs zu einer Anstellung als Schreiber gebracht hatte. Was eine Lebensspanne von hundert Jahren und mehr doch ausmachen konnten, wenn man sie konsequent nutzte. Er wollte das nicht verlieren. Er wollte aber auch nicht immer alleine sein. Es sollte nicht nur immer seine eigene Hand sein, die er auf seiner Haut spürte. Er wollte diesen hübschen Jungen.
"Ihr müsst nicht schüchtern sein", sagte Maurice, der Adams Schweigen offenbar falsch deutete. "Die Einladung erging an alle Mitglieder des Hofstaates. Ich würde mich wirklich freuen, Euch dort zu sehen."
"Ich habe gar kein Kostüm ..."
Maurice strahlte. "Ich lasse Euch eines besorgen. Welche Verkleidung bevorzugt Ihr?"
Adam schenkte dem anderen einen langen Blick.
"Die des bösen Wolfes, Monsieur."
Maurice lachte befreit. "Nun, ich denke, da wird mir noch etwas Passenderes einfallen. Ich lasse das Kostüm in Euer Quartier schicken. Ich selbst werde übrigens eine schwarze Pfauenfeder-Maske tragen. Nur damit Ihr mich erkennt."
"Das werde ich. Keine Sorge." Am Geruch, fügte Adam in Gedanken hinzu, als Maurice die Schreibstube verließ, die Papiere unter dem Arm.
Am Nachmittag klopfte eine Zofe an der Tür zu Adams Gemächern und brachte eine Auswahl prächtiger Kostüme. Adam entschied sich für rote Kniebundhosen und einen langen Gehrock, der aufwendig mit goldenen Stickereien verziert war, dazu eine schlichte, weiße Maske, die über der Nase spitz wie ein Vogelschnabel nach vorne auslief. Ein Rüschenhemd gehörte noch dazu, dünne weiße Strümpfe und weiße Schuhe mit hohen, rot lackierten Absätzen. Die Zofe zog sich zurück, und Adam breitete die Fülle an Samt, Seide und Stickereien auf seinem Bett aus.
Dass er überhaupt in einem solchen Bett schlafen durfte. Sich über einen polierten Parkettboden bewegen, aus hohen Fenstern hinaus in einen prächtigen Garten schauen. Sich parfümieren. Französisch sprechen. Lesen und schreiben, rechnen - und sich dabei als talentierter, kluger Kopf erweisen. Mit Messer und Gabel essen. Weißes Brot in fette Saucen tunken, Quartette tanzen. Er war in der Rangordnung von Versailles weit unten, und dennoch war sein Leben prächtiger und komplizierter geworden, als er es sich jemals hatte träumen lassen. Manchmal konnte er unter all dem Parfüm und Puder beinahe vergessen, dass er keiner von ihnen war.
Als es dunkel wurde, legte er sein Kostüm an, band sich die lockigen Haare im Nacken zusammen und schob sich die Maske vor das Gesicht. Der Hof war voller
Weitere Kostenlose Bücher