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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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wunderschön.«
    Sein Vater hatte ihn einmal mit einer der Pistolen schießen lassen. Als seine Mutter die Waffe jetzt hochhob, spürte er beim Anblick des silberverzierten Laufes den Rückstoß in seinem Arm, hörte den scharfen Knall, und sein Magen kam ihm hoch, sodass er Galle würgte.
    »Einen Moment lang hat sie nur dagestanden und die Pistole angestarrt. Dann hat sich ihr Gesicht… verändert. Sie hat die Leiche meines Vaters angesehen, dann die Pistole, und - ich wusste, dass sie irgendeinen Entschluss gefasst hatte.«
    Wie eine Schlafwandlerin war sie zurückgegangen, hatte sich gebückt und ihrem Mann die Pistole in die Hand gelegt. Dann hatte sie ihm ganz sacht die Hand auf den Kopf gelegt und ihm über das Haar gestrichen, hatte sich rasch erhoben und war ins Haus zurückgekehrt. Sie hatte die Tür sanft hinter sich geschlossen.

    Jetzt war John aufgestanden. Von der plötzlichen Bewegung war ihm schwindelig geworden, und er war zur Gartentür gestolpert. Er hatte sie aufgestoßen und offen gelassen, war durch den Garten und zum Tor hinausgerannt, über die Felder - ohne Nachdenken und ohne Ziel einfach nur gerannt, bis er gestolpert und hingefallen war.
    »In der Nähe war ein Heuhaufen. Ich bin hineingekrochen und habe mich darin vergraben. Nach einer Weile bin ich eingeschlafen.«
    »In der Hoffnung, dass es nicht mehr wahr sein würde, wenn du aufwachst«, sagte Percy leise. Irgendwann im Lauf seiner Erzählung hatte ihn Percy in die Arme genommen und hielt ihn jetzt dicht an sich gedrückt. Seine Wange lag in Percys Schulterbeuge, und die Locken auf Percys Brust streiften sacht über seine Lippen, wenn er sprach.
    »Doch das war es. Der Bauer hat mich kurz vor Sonnenuntergang gefunden; ich hatte fast den ganzen Tag geschlafen, und alle waren in heller Aufregung und haben mich gesucht.«
    Percys Hand strich John sanft das Haar aus dem Gesicht.
    »Wahrscheinlich hat deine Mutter gedacht, der Mörder deines Vaters hätte dich auch erwischt.«
    »Ja, das hat sie.« Zum ersten Mal seit Beginn seiner Erzählung stieg ihm ein Kloß in den Hals, als er sich an das Gesicht seiner Mutter erinnerte, als sie ihn in ihrem Boudoir sah, wo er ihr den Orientteppich mit Heu und Staub ruinierte. »Das war - das einzige Mal, dass sie geweint hat.«
    Percy legte ihm den Arm fester um die Schultern. Er konnte Percys Herz hören, ein gedämpftes, regelmäßiges Klopfen unter seinem Ohr.
    »Und du?«, sagte Percy schließlich ganz leise. »Hast du um deinen Vater geweint?«
    »Nein«, sagte er und schloss die Augen.

19
    Bilder einer Ausstellung
    Nach der Hochzeit war Grey für einen kostbaren Tag beurlaubt. Er war in großer Versuchung, ihn mit Percy im Bett zu verbringen. Doch dies war seine einzige Gelegenheit, einen Blick auf Gilbert Rigby zu werfen, den früheren Soldaten und Witwenfreier und jetzigen Hüter der Londoner Findelkinder. Und schließlich blieb zumindest am Rande zu bedenken, dass der Körper seine Grenzen hatte.
    Zweimal waren er und Percy in der Nacht ineinanderverschlungen aufgewacht, um diese Grenzen erneut zu erkunden. Und im Morgengrauen hatte ihn die Erinnerung an warme, feuchte Münder in der Dunkelheit und den Geschmack nach Wein und Waldmorcheln aus dem Bett getrieben, als er Percy nackt vor der Waschschüssel stehen und sich das Gesicht waschen sah, und er hatte ihn von hinten genommen.
    Normalerweise hätte er angesichts seiner groben Manieren ein schlechtes Gewissen bekommen, hätte Percy ihm nicht eindeutig zu verstehen gegeben, dass er es gern so hatte.
    »Keine Sorge«, hatte Percy geflüstert, als er danach versucht hatte, etwas zu sagen, sich vielleicht zu entschuldigen. »Du bekommst deinen Teil auch noch.«
    Er hatte zwar zunächst nicht begriffen, was das bedeutete, doch es war ihm bald klar geworden; Percy liebte ihn langsam und zärtlich, aber gründlich - und ausdauernd. Wieder geriet er an den Rand, wo ihn Percy bebend in der Schwebe hielt, keuchend und wimmernd, um ihn schließlich über eine Klippe zu stürzen, von deren Existenz er keine Ahnung gehabt hatte. Als er in Schweiß gebadet wieder zu sich kam, so aufgewühlt, dass er kaum klar sehen konnte, stellte er fest, dass Percy ihn
immer noch festhielt, immer noch in ihm war. Er stieß ein leises Geräusch aus, und Percy lachte.
    Auch jetzt lachte Percy, und beim bloßen Klang dieses tiefen, ansteckenden Lachens wurde er steif. Das Blut rauschte durch seine Adern wie eine Springflut; angereichert mit Salz biss es in seine

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