Die Sünde der Brüder
wund gescheuerte Haut.
»Sieh doch nur!«
Er wandte sich in die Richtung, in die Percy zeigte, und sah einen kleinen Mops durch die Menge trotten, dessen Schwanz geringelt war wie eine Sprungfeder und der ein Grinsen im Gesicht trug. Wer ihn sah, musste ebenfalls grinsen; das Tier trug ein schwarzes Samtjackett, das mit Silberknöpfen besetzt und mit gelben Seidenschmetterlingen bestickt war, und auf seinem Kopf saß ein Hütchen mit einer kleinen Krempe, das unter seinem Kinn festgebunden war.
Der Hund zog weitaus mehr Aufmerksamkeit auf sich als die ausgestellten Porträts. Sie befanden sich im Innenhof des Findlingshospitals, wo eine Ausstellung stattfand, um Mittel zur Unterstützung dieser Institution zu sammeln. Eine bessere Gelegenheit konnte es nicht geben, dachte Grey, einen Blick auf Doktor Rigby zu werfen und gleichzeitig mit Percy zusammen zu sein.
Der Hund brachte vor allem die Frauen in Ekstase, und ihren Bemerkungen entnahm Grey, dass der Besitzer des Hundes, ein hochgewachsener, hagerer Mann mit einer würdevollen Ausstrahlung, tatsächlich der Doktor persönlich war. Offenbar gab sich Rigby die Ehre wie ein Monarch, indem er sich langsam durch die Menge bewegte, die Leute begrüßte und kurz stehen blieb, um zu plaudern.
Er sah, dass Rigby in wenigen Minuten bei ihnen sein würde, und wandte sich dem nächstbesten Gemälde zu. Die Dilettante Society hatte eine Dauerausstellung organisiert und diesen Ort damit zu Londons erster öffentlicher Kunstgalerie gemacht. Die Maler dieser Verbindung hatten eine Reihe ihrer eigenen Werke zur Verfügung gestellt, ebenso einige der reicheren Verwalter und Gönner des Findlingshospitals. Neben vielen modernen
Gemälden von Reynolds, Hogarth, Casali und Rybrack fand sich hier auch eine Rarität - ein Porträt aus einem früheren Jahrhundert.
»Sieh doch«, sagte er und stieß Percy an.
Es war Larkins berühmtes Porträt George Villiers, des ersten Herzogs von Buckingham. Der Herzog, gertenschlank in einem engen weißen Seidenbeinkleid und mit Juwelen übersät wie ein Dolchknauf, blickte ihnen mit einem übertrieben fröhlichen Grinsen entgegen, doch sein Blick war wissend.
Nach einigen langen Sekunden wandte Percy sich ihm zu und wies kopfnickend auf das Porträt.
»Was meinst du?«
»Ich würde sagen, es gibt keinen Zweifel.«
Gemeinsam betrachteten sie das Porträt und standen dicht beieinander; er konnte die Wärme von Percys Schulter spüren, die die seine streifte.
»Merkwürdig, wie sehr man es manchen Männern ansehen kann, während andere -« Percy schüttelte den Kopf, dann sah er Grey lächelnd an. »Dir nicht, John.«
»Dir auch nicht.«
Eigentlich ließen sich die meisten Männer, die er kannte und die ihre »widerwärtige Perversion« teilten, äußerlich keine Spur ihrer Vorlieben anmerken. Die wenigen, denen man es ansah, waren meistens von der rehäugigen Sorte; als junge Männer sehr hübsch, aber im Alter verfielen sie schnell.
Während sie weitergingen, sah er sich noch einmal um. George Villiers hatte keine Gelegenheit gehabt zu altern, ob nun schnell oder anders. Villiers war nicht nur ein Adeliger gewesen, sondern zudem der Günstling eines Königs, und als solcher hatte er Immunität vor jeder Strafverfolgung genossen. Er war im Alter von sechsunddreißig Jahren von einem Marineoffizier getötet worden - nicht wegen seines berüchtigten Privatlebens, sondern wegen seiner militärischen Inkompetenz. Grey fragte sich, was Michael Bates wohl davon gehalten hätte, und für den Bruchteil einer Sekunde wünschte er, der Hauptmann wäre hier.
Doch jetzt kam Dr. Rigby auf sie zu, und sein eigentlich finsteres Gesicht hatte eine freundliche Miene aufgesetzt.
»Guten Tag, meine Herren!«, sagte der Doktor, als er zu ihnen trat. »Ich hoffe, die Ausstellung gefällt Euch? Es ist so gütig von Euch. Wir wissen Eure Unterstützung mehr zu schätzen, als ich sagen kann.«
»Euer Diener, Sir.« Grey verneigte sich. Er musste Rigbys Lächeln einfach erwidern, denn es schien aufrichtige Wärme auszustrahlen, selbst wenn es im Lauf der letzten Stunde ohne Unterlass im Einsatz gewesen war.
»Es ist uns eine Ehre, helfen zu können«, sagte Percy so herzlich, dass es Grey ein wenig überraschte. Auch er verneigte sich und hielt dem Hund den Handrücken hin, um ihn daran schnüffeln zu lassen. »Euer Diener, Sir«, sagte er ernst zu dem Hund.
Rigby lachte.
»Bedank dich bei dem Herrn, Hercules«, sagte er, woraufhin der Hund ihm die Pfote
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