Die Sünde der Brüder
und Her verkündeten ihre
Ankunft, und als sie an der Steintreppe anlangten, kam schon ein Stallknecht um das Haus gerannt, um Tom und die Pferde in seine Obhut zu nehmen.
Stephans Butler Wilhelm begrüßte Grey an der Tür, und sein langes Gesicht leuchtete erfreut auf. Gemeinsam mit ihm kam eine Reihe von Hunden aus dem Haus geschossen, die angesichts des Gastes begeistert bellten und mit den Schwänzen wedelten.
»Lord John! Willkommen, willkommen! Ihr esst doch hoffentlich etwas?«
»Ja«, versicherte ihm Grey lächelnd und tätschelte den nächstbesten bepelzten Kopf. »Ich bin völlig ausgehungert. Aber vielleicht sollte ich zuerst Eurem Herrn mitteilen, dass ich hier bin? Oder Eurer Herrin, falls sie zu Hause ist«, fügte er der Höflichkeit halber hinzu, denn die Anwesenheit der Hunde verriet ihm, dass die Prinzessin nicht zugegen war.
Bei der Erwähnung seiner Brotherrn huschte ein schmerzhafter Ausdruck über Wilhelms Gesicht.
»Prinzessin Louisa ist auf Schloss Löwenstein. Der Graf… ja, ich werde den Grafen sofort davon unterrichten lassen. Natürlich«, sagte er, doch sein Tonfall war so zögernd, dass Grey ihn scharf fixierte.
»Was ist denn?«, fragte er unverblümt. »Ist der Graf immer noch krank? Kann er keinen Besuch empfangen?«
»Oh, es geht ihm… nicht schlecht«, erwiderte der Butler, jedoch mit einem derart unsicheren Unterton, dass Grey sofort alarmiert war. Außerdem fiel ihm auf, dass Wilhelm seine zweite Frage nicht beantwortete und er Grey stattdessen nur winkte, ihm zu folgen.
Hätte er noch irgendwelche Zweifel bezüglich der Anwesenheit der Prinzessin gehegt, wären sie in dem Moment verflogen, als er über die Schwelle trat. Das Haus war zwar makellos sauber, hatte aber dennoch die angenehm muffige Ausstrahlung eines Junggesellenhaushalts, in dem es nach Hunden, Tabak und Brandy roch.
Durch die Salontür sah er ein Paar schmutzverkrustete Stiefel,
die jemand vor den Kamin geworfen hatte - ein gutes Zeichen, dachte er; wenn Stephan ritt, musste er sich zumindest ein wenig erholt haben -, und auf einem silbernen Serviertablett, das anderswo wahrscheinlich dazu gedient hätte, Visitenkarten aufzunehmen, lag ein kleines Häufchen aus Steinen, Papierschnipseln, Bleistiftstümpfen, abgelösten Knöpfen, gammeligen Brotkrusten, Münzen und anderen Kleinigkeiten, in denen er den Inhalt der Taschen eines Mannes erkannte.
Apropos …
»Hatte der Graf seit seinem unglücklichen Unfall viel Besuch?«
Wilhelm sah sich gehetzt um und schüttelte den Kopf, erläuterte seine Reaktion aber nicht weiter.
Das war kein gutes Zeichen; normalerweise war Stephan ein geselliger Mensch.
Der Butler blieb am Fuß der Treppe stehen, als versuchte er, zu einem Entschluss zu kommen.
»Seid Ihr müde von der Reise, mein Herr? Ich könnte Euch auf Euer Zimmer bringen«, bot sich Wilhelm an, ohne jedoch irgendwelche Anstalten zu machen, dies tatsächlich zu tun.
»Ganz und gar nicht«, erwiderte Grey, der den offensichtlichen Wink verstanden hatte. »Vielleicht wärt Ihr so freundlich, mich zum Grafen zu führen? Ich würde ihm gern sofort meine Aufwartung machen.«
»O ja, Sir!« Wilhelm war sichtlich erleichtert, sodass sich Grey erneut fragte, was zum Teufel von Namtzen trieb.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Wilhelm sperrte die Hunde in die Küche, dann führte er ihn beinahe im Laufschritt durch das Haus zu einer Hintertür, aus der sie in den Wald eintauchten und sich auf einem angenehm schattigen Pfad auf den Weg machten. In einiger Entfernung vor sich konnte Grey Schreie hören - er erkannte Stephan von Namtzens missmutig erhobene Stimme - und das heftige Donnern von Hufen und… Rädern?
»Was ist …«, begann er, doch Wilhelm schüttelte unbeirrbar den Kopf und winkte ihn weiter.
Dicht hinter Wilhelm umrundete Grey die nächste Wegkurve und fand sich am Rand einer enormen Lichtung wieder, deren Boden aus Sand bestand. Und es kam etwas auf ihn zugerast, das schrie wie ein Adler, so wild dreinblickte wie ein durchgehendes Pferd und an einen der antiken germanischen Kriegsgötter erinnerte, der einen Streitwagen fuhr, welcher von vier schäumenden Pferden mit weit geblähten Nüstern gezogen wurde.
Grey warf sich zur Seite und riss den Butler mit sich zu Boden. Der Streitwagen ratterte zentimeterdicht an ihnen vorbei, und das Gewirr monströser Hufe überhäufte sie mit Sand und Speichel.
»Himmel!«
Die Quadriga - ja, bei Gott, das war es; die vier Pferde waren
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