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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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es, glaube ich, ganz gut.«
    »Sie werden Euch zwingen auszusagen - als Zeuge?«
    »Wenn es mir nicht gelingt, mich vor dem Prozess ins Jenseits zu befördern, ja.«
    Von Namtzen stieß einen Laut tiefer Entrüstung aus und schüttelte den Kopf.
    »Was werdet Ihr tun?«, fragte er nach einer Weile.
    »Für den Augenblick leben«, sagte Grey und wies kopfnickend auf den blutverschmierten Sack. »Und hoffen, dass auch ich, wenn der Moment für mich gekommen ist, aus der Erde auftauchen und den Himmel wiedersehen werde.«
    Von Namtzen lachte zwar nicht offen auf, schnaubte aber durch die Nase und ging dann voraus. Sie durchquerten eine Gruppe blühender Bäume, die ihre weißen Blütenblätter auf sie schneien ließen.
    »Ich war natürlich hocherfreut zu hören, dass das Regiment Eures Bruders Herzog Ferdinands Truppen zugeteilt werden würde«, sagte er, um das Gespräch auf beiläufigere Pfade zurückzuführen. »Nicht nur, weil es eine wertvolle Unterstützung für uns ist, sondern auch, weil ich gehofft habe, dass wir unsere Freundschaft erneuern könnten.«

    »Ich ebenso«, sagte Grey aufrichtig. »Ich bedaure nur, dass wir uns nicht einfach als Freunde begegnen können, ohne uns mit solch traurigen Überlegungen befassen zu müssen, wie ich sie mitgebracht habe.«
    Von Namtzen zuckte mit der Schulter.
    »Wir sind Soldaten«, sagte er schlicht. »Wir werden uns nie ganz von solchen Dingen befreien können. Auch das gehört zu unserer Freundschaft, nicht wahr?«
    Grey war sich nicht sicher, ob er ihren gemeinsamen Beruf oder ihre wiederholte gemeinsame Verwicklung in Unannehmlichkeiten meinte, doch beides traf zu, und er lachte reumütig.
    »Dennoch«, fuhr von Namtzen stirnrunzelnd fort, »ist es eine unglückselige Geschichte.«
    »Ja, das ist es.«
    »Nicht nur der - der Vorfall an sich.« Von Namtzen vollführte eine kurze Geste mit seinem amputierten Arm, die ihn so aus dem Gleichgewicht brachte, dass er stolperte, bevor er sich mit einem leisen Fluch wieder fing.
    »Nein«, fuhr er fort. »Es ist unglücklich, dass ein englischer und ein preußischer Soldat daran beteiligt waren. Wären es unsere Männer gewesen und unsere Offiziere, die sie dabei erwischt haben, hätte man das Ganze … diskreter beilegen können.«
    Grey musterte ihn. Auch ihm war diese Facette der Situation natürlich nicht entgangen. Das englische Kommando durfte sich nicht dabei ertappen lassen, dass es derartige Dinge auf die leichte Schulter nahm, um den Respekt der deutschen Verbündeten nicht zu verlieren. Er hatte zwar keinen bewussten Gedanken an die andere Seite verschwendet, doch das Gleiche galt offensichtlich genauso für die Deutschen.
    »Ja. Hättet Ihr getan … was Ihr getan habt … wenn Weber kein aufsehenerregender Prozess und keine öffentliche Hinrichtung gedroht hätten?«
    »Meinen Leutnant erschossen?« Von Namtzen gestattete sich keine Beschönigungen. »Ich weiß es nicht. Wären die
Männer beide Deutsche gewesen, hätte man sie möglicherweise nur aus der Armee entlassen, sie vielleicht eine Zeit lang eingekerkert oder verbannt. Ich glaube nicht, dass es zum Prozess gekommen wäre.«
    »Also ist es zumindest teilweise meine Anwesenheit gewesen, die zu alldem geführt hat. Das bedaure ich unendlich.« Gott allein wusste, wie sehr.
    In diesem Moment drehte ihm von Namtzen den Kopf zu und lächelte ihn so liebenswürdig an, dass er völlig überrascht war.
    »Ich würde Eure Anwesenheit niemals nur eine einzige Sekunde lang bedauern, John, ganz egal, unter welchen Umständen.« Noch nie zuvor hatte er Greys Vornamen ohne den Titel benutzt, obwohl ihm Grey dies schon mehrfach angeboten hatte. Jetzt sprach er ihn mit rührender Schüchternheit aus, so als stünde ihm eine solche Vertrautheit gar nicht zu.
    Dann hustete von Namtzen, als sei er verlegen über diese Deklaration, und beeilte sich, dies zu übertünchen.
    »Natürlich ist es unmöglich zu sagen, wer sich bei welcher Gelegenheit wie verhalten würde. Einerseits tolerieren wir - also die Armee - solche Perversionen nicht. Die Strafen dafür sind streng. Auf der anderen Seite -«, er richtete den Blick auf seinen leeren Ärmel und zog den Mundwinkel hoch, »- haben wir Friedrich.«
    »Fried… - was, der König?«
    »Ja. Kennt Ihr die Geschichte?«, fragte von Namtzen.
    »Welche?«, sagte Grey trocken. »Um einen solchen Mann ranken sich stets viele Erzählungen - und manche davon sind ja vielleicht sogar wahr.«
    Von Namtzen lachte.
    »Diese ist wahr«,

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