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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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zum Dank, hob den Krug mit beiden Händen und trank. Dann stellte er ihn wieder hin und erschauerte sacht. Er stützte sich mit den Ellbogen auf den Tisch und legte das Gesicht in die Hände, um sich langsam unter seiner Perücke zu massieren. Schließlich blickte er auf. Seine Augen waren von der Reise blutunterlaufen und von einer Erschöpfung gezeichnet, die weit über die rein körperliche Müdigkeit hinausging.
    »Hast du Wainwright nach deiner Rückkehr schon gesehen?«
    Grey schüttelte wortlos den Kopf. Er wusste, wo sich Percy befand: in einem kleinen Provinzgefängnis. Er hatte die nötigsten Erkundigungen eingeholt, um sicherzugehen, dass Percy
anständig zu essen bekam. Ansonsten hatte er versucht, nicht an ihn zu denken - natürlich ohne jeden Erfolg, aber er hatte es immerhin versucht.
    »Ich vermute, die Sache hat sich herumgesprochen«, sagte er. Seine Stimme war heiser, weil er sie so lange nicht benutzt hatte; er hatte seit Stunden mit niemandem mehr gesprochen, und er räusperte sich. »Weiß der Herzog schon davon?«
    Hal verzog das Gesicht und trank noch einen Schluck. » Jeder weiß davon, obwohl es noch keine offizielle Verlautbarung dazu gibt.«
    »Ich gehe davon aus, dass man ein Kriegsgericht einberufen wird.«
    »Die vorherrschende Meinung des Oberkommandos ist, dass es besser wäre, wenn das nicht geschähe.«
    Er starrte Hal an.
    »Was zum Teufel meinst du damit?«
    Hal rieb sich das Gesicht.
    »Wenn er ein einfacher Soldat wäre, würde es keine Rolle spielen«, sagte er mit gedämpfter Stimme. Dann zog er seine Hand fort und schüttelte den Kopf. »Man würde ihn vors Kriegsgericht stellen, ihn hängen, und damit wäre die Sache erledigt. Aber er ist kein einfacher Soldat. Er ist ein verflixtes Mitglied unserer Familie. Auf diese Weise lässt es sich nicht diskret erledigen.«
    Grey bekam allmählich ein mulmiges Gefühl.
    »Und wie, glauben sie, lässt es sich diskret erledigen? Wollen sie ihm etwa aus einem anderen Grund den Prozess machen und ihn aus der Armee entlassen?«
    »Nein.« Hals Stimme war ausdruckslos. »Das könnte man tun, wenn niemand wüsste, was wirklich geschehen ist. Doch die Umstände …« Er schluckte Brandy, hustete und hustete weiter, wobei er rot anlief.
    »›Unglücklich‹«, sagte er heiser. »Das war es, was Ferdinand wieder und wieder gesagt hat, auf seine typische, präzise Weise. ›Außerordentlich unglücklich‹.«
    Herzog Ferdinand befand sich in einer prekäreren Lage als
König Friedrich. Friedrich war der alleinige Herr über seine eigene Armee; Ferdinand befehligte eine Reihe lose verbündeter Kontingente und musste einer ganzen Reihe von Fürsten, die ihm die Truppen zur Verfügung gestellt hatten, Rede und Antwort stehen.
    »Einige dieser Fürsten sind strenge Lutheraner, die solche Dinge gewöhnlich sehr … rigide … sehen. Ferdinand glaubt, es sich mit ihnen nicht verderben zu dürfen, nicht um unseretwillen «, fügte er ausgesprochen bitter hinzu.
    Grey starrte auf die Tischplatte und fuhr mit den Fingern einer Hand nachdenklich über ihre Maserung.
    »Was hat er denn vor?«, fragte er. »Wainwright einfach ohne Prozess hinzurichten?«
    »Liebend gern«, sagte Hal und lehnte sich seufzend zurück. »Nur, dass dies natürlich den Aufruhr und den Skandal noch vergrößern würde. Außerdem«, fügte er hinzu und griff erneut nach dem Brandy, »habe ich ihm natürlich mitgeteilt, dass ich verpflichtet wäre, unsere Männer zurückzuziehen und eine offizielle Beschwerde beim König einzureichen - oder besser bei den Königen, unserem und Friedrich -, sollte er versuchen, einen britischen Soldaten so zu behandeln.«
    Der Knoten unter Greys Herz schien sich ein wenig zu lösen. Der Abzug von Hals Regiment würde zwar nicht das Ende von Ferdinands Armee bedeuten, doch ein herber Schlag wäre er in jedem Fall - und der daraus resultierende Aufruhr konnte gut zu Spaltungen unter seinen anderen Verbündeten führen.
    »Was schlägt er - oder du - also vor?«, fragte er. »Ihn hinter Schloss und Riegel festzuhalten und zu hoffen, dass er sich eine Krankheit fängt und stirbt, womit die Peinlichkeit erledigt wäre?« Er hatte es ironisch gemeint, doch Hal warf ihm einen merkwürdigen Blick zu und hustete erneut.
    Ohne ein Wort hob er den Rucksack auf, den er neben dem Tisch auf den Boden gelegt hatte, und zog eine Pistole hervor. Es war eine alte, in Deutschland gefertigte Waffe.
    »Ich möchte, dass du zu ihm gehst«, sagte er.
    »Was?«, sagte

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