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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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und es hatte alles nichts genutzt. Ihm fiel kein Wort ein, mit dem er hätte beginnen können.
    »Ich bin froh, dich zu sehen, John«, sagte Percy leise.
    »Das solltest du nicht.«
    Percys Augen weiteten sich ein wenig, doch er versuchte zu lächeln. Grey sah, dass sie ihm gestattet hatten, sich zu rasieren; seine Wangen waren glatt.
    »Ich werde immer froh sein, dich zu sehen, ganz gleich, was für Nachrichten du mitbringst. Und deiner Miene nach bezweifle ich, dass sie angenehm sind.« Er zögerte. »Hast du - weißt du, ob sie mich hier vor Gericht stellen werden? Oder ob sie mich nach England zurückschicken?«
    »Das - ich weiß nicht. Ich habe -«
    Er gab jeden Gedanken daran auf, etwas zu sagen. Stattdessen zog er die Pistole aus der Tasche - mit spitzen Fingern, als sei sie eine Giftschlange - und legte sie auf die Bank. Sie war geladen, man brauchte sie nur noch zu spannen.
    Im ersten Moment starrte Percy sie nur ausdruckslos an.
    »Sie haben dich überredet, sie mir zu bringen?«, fragte er. »Der Herzog? Melton?«
    Grey nickte einmal mit dem Kopf; seine Kehle war zu sehr zugeschnürt, um zu sprechen. Percys dunkle Augen blickten ihm suchend ins Gesicht.
    »Wenigstens war es nicht deine eigene Idee«, sagte er. »Das tröstet mich.«

    Dann erhob er sich abrupt, wandte sich ab und streckte die Hände aus, als wollte er sich auf die nicht vorhandene Fensterbank stützen. Legte sie flach auf die verputzte Ziegelwand und senkte den Kopf, sodass seine Stirn die Wand berührte und sein Gesicht nicht mehr zu sehen war.
    »Ich muss dir etwas sagen«, sagte er mit leiser, aber klarer und kontrollierter Stimme. »Ich habe gewartet und gehofft, dass du kommst, um es dir sagen zu können. Du wirst glauben, dass ich es sage, um etwas zu entschuldigen, das nicht zu entschuldigen ist, doch das kann ich nicht ändern. Ich bitte dich nur, mir zuzuhören.«
    Er blieb abwartend stehen. Grey saß da und starrte die geladene Pistole an. Er hatte sie selbst geladen.
    »Dann sprich«, sagte er schließlich.
    Er verfolgte, wie Percys Rücken sich hob, als er einatmete, verfolgte die nackten Umrisse unter dem Tuch und dem Leinen, schlank und perfekt.
    »Als ich das erste Mal mit einem Mann geschlafen habe, war es des Geldes wegen«, sagte Percy leise. »Ich war vierzehn. Wir hatten seit zwei Tagen nichts mehr gegessen - meine Mutter und ich. Ich war auf den Seitenstraßen unterwegs, auf der Suche nach etwas, das sich vielleicht verkaufen ließ. Ein Mann hat mich dort gefunden - er nannte sich Henry; seinen Nachnamen habe ich nie erfahren -, ein gut gekleideter, ziemlich stämmiger Mann. Er hat mir erzählt, er sei Anwaltsgehilfe, und vielleicht war er das ja tatsächlich. Er hat mich mit auf sein Zimmer genommen, und als wir fertig waren, hat er mir drei Shilling gegeben - ein Vermögen.« Es lag nicht der leiseste Hauch von Ironie in seinen Worten.
    »Also hast du … weitergemacht. Mit ihm?« Grey bemühte sich um einen neutralen Tonfall.
    Percy löste den Kopf von der Ziegelwand und drehte sich um. Seine dunklen Augen blickten ernst.
    »Ja«, sagte er schlicht. »Mit ihm, mit anderen. Für uns bedeutete es den Unterschied zwischen Armut und dem Hungertuch. Und ich habe entdeckt, dass meine eigenen Vorlieben…
in dieser Richtung lagen.« Er sah Grey direkt an. »Ich habe es nicht immer nur für Geld getan.«
    Grey spürte, wie sich in seinem Inneren etwas rührte, und er wusste nicht, ob es Bedauern oder Erleichterung war.
    »Ich … als ich dachte … dass zwischen uns etwas sein könnte … bin ich nicht sofort auf dich zugekommen; ich nehme an, das ist dir aufgefallen?«
    Oh, ja.
    »Es gab da einen Mann - ich möchte seinen Namen nicht nennen; er ist nicht wichtig, nennen wir ihn ›Mr. A‹. Er war …«
    »Dein Gönner?« Grey verlieh dem Wort einen bösen Unterton und stellte voller Genugtuung fest, dass Percy die Zähne zusammenbiss.
    »Wenn du es so bezeichnen möchtest«, sagte Percy knapp und sah ihm in die Augen. »Ich wollte erst auf dich zugehen, nachdem ich mit ihm gebrochen hatte. Ich wollte nicht, dass es … Komplikationen gibt.«
    »Ach nein.«
    »Michael, der Mann, mit dem du mich gesehen hast … ich kannte ihn schon. Von früher. Wir haben uns vor einem Jahr in London kennengelernt.«
    »Geld?«, fragte Grey brutal. »Oder -?«
    Percy holte tief Luft und wandte den Kopf ab.
    »Oder«, sagte er. Er biss sich auf die Unterlippe. »Ich habe ihm gesagt, dass ich nicht… dass es jemanden gab - aber deinen

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