Die Sünde der Brüder
frei zu bekommen, und las den Rest.
» Du weißt ja schon einiges über meine Vorgeschichte, einschließlich meiner Beziehung mit dem Herrn, den ich A. nenne. Eines Tages war ich bei ihm zu Hause, als er Besuch von einem anderen Herrn bekam. Man hat mich nach oben geschickt, weil sie über eine Privatangelegenheit sprechen wollten. Als ich auf die Zufahrt hinausblickte, habe ich die Kutsche des Besuchers gesehen, ein sehr elegantes Gefährt, eindeutig nicht gemietet, jedoch auch nicht durch irgendein Wappen gekennzeichnet. Kurz darauf trat der Herr ins Freie und fuhr davon. Alles, was ich von ihm gesehen habe, war sein Hut, als er unter der Eingangsveranda hervortrat, obwohl ich gehört habe, wie er zum Abschied einige Worte mit A. wechselte.
Ich wurde wieder gerufen und ging nach unten, woraufhin A. mir erzählte, dass sein Besucher von der Heirat Deiner Mutter gehört habe und ich ja daher in verwandtschaftliche Beziehungen zu Deiner Familie treten würde. Der Mann habe wissen wollen, ob ich Dir oder Deinem Bruder schon begegnet sei und wann wir uns möglicherweise wiedersehen würden. A.
hatte seinem Besucher von meinem Mittagessen mit Dir und Melton erzählt und hinzugefügt, dass ich Dich zu Lady Jonas’ Salon eingeladen hätte. Der Besucher hatte A. ein Bündel Geldscheine überreicht, das er mir geben sollte. Dafür sollte ich es nach unserem Aufbruch aus dem Salon so einrichten, mit Dir zum Rand des Hyde Parks zu gehen und Dich in der Nähe des Grosvenor Gate allein zu lassen, da er Dir dort eine Nachricht zukommen lassen wolle .
Da ich daran nichts Verdächtiges finden konnte, habe ich getan, worum man mich bat. Da Du die Angelegenheit bei unserer nächsten Begegnung nicht erwähnt hast, ging ich davon aus, dass sie entweder vertraulich oder belanglos war, und habe Dich daher nicht darauf angesprochen. Von Deinem Zusammentreffen mit den beiden Soldaten im Park habe ich ja erst erfahren, als Du es mir später erzählt hast. Ich war natürlich schockiert, davon zu hören, habe den Zwischenfall aber nicht mit Mr. A.’s Besucher in Verbindung gebracht .
Dann wurden wir in Seven Dials überfallen, und mir wurde klar, dass dieser Überfall Dir galt. Daraufhin sind mir Mr. A. und sein Besucher wieder eingefallen, und ich habe mich gefragt, ob er wohl hinter diesen Überfällen steckte. Allerdings konnte ich keinen Grund dafür sehen und habe daher geschwiegen, obwohl ich mir vorgenommen habe, über Dich zu wachen .
Dann hast Du mir die Wahrheit über den Tod Deines Vaters erzählt und mir später auch von den anderen merkwürdigen Vorfällen berichtet, wie zum Beispiel der Tagebuchseite in der Amtsstube Deines Bruders. An diesem Punkt habe ich erstmals geargwöhnt, dass diese Dinge zusammenhängen könnten, obwohl mir immer noch nicht klar war, wie. Doch da inzwischen die Abreise des Regiments kurz bevorstand, dachte ich, Du würdest dann nicht mehr in Gefahr sein .
Ich hatte, wie gesagt, schon einige Zeit mit mir gerungen, ob ich Dir mein Wissen in einem Brief mitteilen sollte. Anfang der Woche wurde die Angelegenheit dann dringend. Ich habe eine Stimme im Korridor vor meiner Zelle gehört und glaubte,
darin die Stimme von Mr. A.’s Besucher zu erkennen. Ich bin zur Tür gehastet, kam aber zu spät, um das Gesicht des Mannes zu sehen, und konnte zunächst auch keinen Wärter auf mich aufmerksam machen. Als ich mich schließlich mit einem von ihnen unterhalten konnte, habe ich ihn gefragt, wer der fremde Engländer gewesen sei. Er wusste es nicht und hatte den Mann selbst nicht gesehen - ließ sich aber gegen ein Trinkgeld überreden, sich nach ihm zu erkundigen. Tags darauf ist er wiedergekommen und hat mir erzählt, der Mann sei ein Militärarzt, der hier gewesen sei, um an einem der Gefangenen, der eine schwere Beinverletzung hatte, ein neues Verfahren auszuprobieren .
Ich kann nicht beschwören, dass es derselbe Mann ist, und wenn ja, so weiß ich immer noch nicht, warum er Dir etwas antun sollte, obwohl ich annehme, dass es etwas mit dem Tod Deines Vaters zu tun hat. Falls jedoch eine solche Verbindung besteht, gibt es allen Grund zu der Annahme, dass Du und Dein Bruder in Lebensgefahr seid .
Stets Dein Diener, glaube mir ,
P. Wainwright (Unterleutnant)«
Grey fluchte leise und warf den Brief auf den Tisch.
Mysteriöse Besucher und Militärärzte - ohne Namen. Es war durchaus möglich, dass es Percy nicht gelungen war, den Namen des Arztes herauszufinden - falls es derselbe Mann war
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