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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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abwischte, der gerade seine Schläfe nach einem guten Angriffspunkt für das nächste Ekeltierchen absuchte.
    »So ist es bestens«, rief Protheroe voller Genugtuung aus und trat einen Schritt zurück, um Grey zu betrachten, als sei er ein Kunstwerk. »Hervorragend. Wenn Ihr jetzt nur stillhalten würdet, Mylord, während die Blutegel ihre Arbeit verrichten, dann wird alles gut. Ich bin mir sicher, dass Ihr beinahe augenblicklich Erleichterung verspüren werdet.«
    Greys einzige Erleichterung war die Beobachtung, dass Hal grün im Gesicht geworden war und sich sichtlich Mühe gab, nicht in Greys Richtung zu blicken. Das war zumindest ein kleiner Trost, dachte Grey - er konnte die verflixten Dinger wenigstens nicht sehen.
    »Ich gehe mit Euch, Sir«, sagte Hal hastig, als er sah, dass Protheroe seine Tasche schloss und sich darauf vorbereitete zu gehen. Grey warf ihm einen bösen Blick zu, doch Hal wies mit einer kleinen Geste auf den Brief und folgte dem Arzt ins Freie.
    Tom legte ihm fürsorglich ein Handtuch um die Schultern - »damit Ihr Euch nicht erkältet, Mylord.« Es war Mittag und drückend heiß, doch Grey war zu sehr damit beschäftigt, die morbide Vorstellung zu unterdrücken, dass er bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt wurde.
    »Holt mir etwas Brandy, ja, Tom?«
    Tom musterte ihn skeptisch.
    »Ich glaube nicht, dass Ihr während einer Behandlung mit Blutegeln Brandy trinken solltet, Mylord. Am Ende wird den
Kleinen noch schwindelig, und sie fallen ab, bevor sie fertig sind.«
    »Was für eine hervorragende Idee. Holt mir Brandy, Tom, und zwar reichlich. Sofort!«
    Tom kam nicht dazu, zu widersprechen, weil Hal zurückkehrte. Er warf einen Blick auf Grey, erschauerte und zog die Schnupftabakdose mit seinem Riechsalz aus der Tasche. Grey war gerührt über dieses Zeichen von Fürsorglichkeit, stieß aber einen entrüsteten Ausruf aus, als er sah, dass Hal sich das Fläschchen selbst an die Nase hielt.
    »Gib mir das! Ich habe es nötiger als du.«
    »Nein, das hast du nicht.« Hal holte tief Luft, würgte und bekam einen Hustenanfall. »Protheroe ist der Name eines weiteren Kollegen eingefallen«, keuchte er mit tränenden Augen.
    »Was? Wer denn?«
    »Longstreet«, sagte Hal. Er hustete erneut und reichte ihm das Salz. »Arthur Longstreet. Er ist bei den Preußen.«
    Grey zog den Korken aus dem Fläschchen und hielt es sich an die Nase.
    »Brandy, Tom«, befahl er knapp. »Jetzt bringt mir endlich die verdammte Flasche.«
     
    Abgesehen von der interessanten wissenschaftlichen Feststellung, dass Blutegel durch Brandy anscheinend tatsächlich betrunken wurden, zeigte Mr. Protheroes Besuch wenig konkrete Wirkung.
    »Bei den Preußen«, wiederholte Grey, während er zutiefst erleichtert wieder in sein Hemd schlüpfte. » Wo denn bei den Preußen?«
    »Das wusste Protheroe nicht«, erwiderte Hal und beugte sich über den Tisch, um einen der Egel zu beobachten, der sich gerade exzentrisch und wollüstig räkelte. »Er ist Longstreet zufällig vor einer Woche begegnet und hat gesehen, dass er eine preußische Uniform trug. Aber natürlich hat er sich das Regiment nicht gemerkt. Meinst du, dieser hier ist tot?«

    Grey stupste das fragliche Tierchen an, dann ergriff er es mit spitzen Fingern.
    »Ohnmächtig, glaube ich.« Er ließ den Egel in das Gefäß fallen und wischte sich die Finger gründlich an der Hose ab. »Es sollte doch möglich sein, ihn zu finden.«
    »Ja«, sagte Hal nachdenklich. »Aber wir müssen vorsichtig sein. Falls er etwas Böses gegen dich - oder mich - im Schilde führt, dürfen wir ihn auf keinen Fall darauf aufmerksam machen, dass wir von ihm wissen.«
    »Ich hätte gedacht, das wäre die beste Möglichkeit sicherzugehen, dass er nichts dergleichen versucht.«
    »Vorgewarnt ist gut gewappnet, und ich vertraue fest auf deine Fähigkeiten, dich gegen einen bloßen Arzt zu verteidigen«, sagte Hal und lächelte - eine Seltenheit. »Nein, wir dürfen ihn nicht im Voraus in Alarm versetzen, denn wir wollen uns ja mit ihm unterhalten. Unter sechs Augen.«

28
    Hückelsmay
    Er hatte Percy für seine achtlose Torheit getadelt. Gleichzeitig jedoch war ihm schmerzhaft bewusst, dass er sich selbst schon oft genug achtlos und töricht verhalten hatte. Er hatte nur mehr Glück gehabt, das war alles. Einmal war er einer Katastrophe, wie sie Percy nun ereilt hatte, nur um Sekunden entronnen. Bei der bloßen Erinnerung an diesen Vorfall brach ihm der kalte Schweiß aus - umso kälter, weil er jetzt

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