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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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mit einem Blick auf den Brief, der auf dem Tisch lag, doch Hal schnitt ihm rasch das Wort ab.
    »Ja, mein Bruder ist ein wenig indisponiert. Wenn es Euch nichts ausmachen würde, ihn zu untersuchen?« Er warf Grey einen drohenden Blick zu, mit dem er sich jeden Widerspruch verbat. Und bevor er sich eine passende Entschuldigung ausdenken konnte, fand sich Grey auf einem Hocker wieder und sah sich gezwungen, seine Zunge herauszustrecken, das Weiße seiner Augen untersuchen zu lassen, seine Leber abtasten zu lassen und diverse erniedrigende Fragen über seine intimsten Körperfunktionen zu beantworten.
    Unterdessen verwickelte Hal Protheroe in ein scheinbar beiläufiges Gespräch über seine Eindrücke von Preußen, was er vom Essen hielt, wie die Männer zurechtkamen … Grey funkelte seinen Bruder über Protheroes Kopf hinweg an, der gerade an seine Brust gedrückt war, und seine Lippen formten ein lautloses: »Komm zur Sache !«
    »Habt Ihr viel mit Euren Kollegen zu tun?«, erkundigte sich Hal schließlich freundlich. »Mit den anderen Stabsärzten?«
    »Oh, ja.« Protheroe fischte in seiner Tasche herum. Grey verzog das Gesicht; er wusste, dass ihm ein Aderlass bevorstand. »Ein oder zwei von den deutschen Ärzten verfügen über außerordentliches Wissen - und der Herzog hat einen italienischen Arzt, der wunderbare Instrumente besitzt. Er hat sie mir einmal gezeigt - so etwas habe ich noch nie gesehen!«
    »Ah«, sagte Hal. Wieder richtete er seinen Blick auf den Brief. »Wisst Ihr, wie viele englische Ärzte wir hier haben?«
    Protheroe raschelte weiter in seiner Tasche herum.
    »Oh, fünf oder sechs«, sagte er vage. »Nun, Lord John, ich glaube -«
    »Wisst Ihr ihre Namen?«, fragte Grey unverblümt. Protheroe blinzelte, und Hal verdrehte die Augen.
    »Nun, ja … natürlich. Simmonds - er gehört zum 14ten … Ich glaube, Mylord, dass Blutegel das Beste wären. Euer Mann sagt, Ihr hättet in letzter Zeit öfter Kopfschmerzen gehabt -«

    » Das ist allerdings wahr«, sagte Grey mit einem Seitenblick auf das verschlossene Gefäß, das der Arzt aus seiner Tasche gezogen hatte. »Aber eigentlich -«
    »Simmonds«, unterbrach ihn Hal. »Wer noch?«
    »Oh.« Protheroe kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Entwidge - ein fähiger Mann, Entwidge«, fügte er großzügig hinzu. »Wenn auch noch etwas jung.« Protheroe konnte selbst noch keine vierundzwanzig sein, dachte Grey.
    »Dann haben wir Danner …« Eine Bewegung seiner Lippen tat Danner als Scharlatan ab. »Habt Ihr etwas Milch zur Hand, Mylord?«
    »Hier, Sir!« Tom, der offensichtlich auf diese Frage vorbereitet war, sprang mit einem Milchkrug in der Hand vor. »Vielleicht zieht Ihr besser Euer Hemd aus, Mylord«, sagte er selbstzufrieden zu Grey. »Sonst riecht Ihr nachher noch nach saurer Milch, falls es tropft.«
    »Das wollen wir natürlich nicht«, sagte Grey mit einem giftigen Blick auf seinen Bruder, der die Situation komisch zu finden schien. Resigniert zog er sein Hemd aus und ließ sich von dem Medico Hals und Schläfen großzügig mit Milch einreiben.
    »Die Milch ermuntert sie, noch herzhafter zuzubeißen«, erklärte Protheroe, während er ihn geschäftig betupfte.
    »Ich weiß«, knirschte Grey mit zusammengebissenen Zähnen. Er schloss unwillkürlich die Augen, als Protheroe ein dunkles Etwas aus seinem Gefäß holte. Der Biss eines Blutegels war eigentlich nicht schmerzhaft, das wusste er. Der Speichel der kleinen Kreaturen enthielt einen Bestandteil, der die Haut betäubte. Doch das klamme, schwere Tierchen auf seiner Haut widerte ihn an, und angesichts des Bewusstseins, dass sich der Egel langsam und genüsslich mit seinem Blut vollsaugte, wurde ihm schwindelig vor Ekel.
    Er wusste , dass es harmlos und sogar nützlich war. Seinem Magen jedoch war die neutrale Denkweise eines Wissenschaftlers fremd, und er ballte sich nervös zusammen.
    Protheroe und Tom diskutierten gerade darüber, wie viele
der widerlichen Biester wohl das Beste waren. Der Arzt hielt ein halbes Dutzend für ausreichend, ließ sich aber von Tom bedrängen, der der Meinung war, dass drei Löffel Medizin nützlicher waren als ein halber, wenn sie denn half.
    »Das reicht vollkommen, Sir, danke.« Grey richtete sich auf dem Hocker auf und hielt das Kinn erhoben, um jeden überflüssigen Kontakt mit den Blutegeln zu vermeiden, die ihm jetzt wie ein Kragen um den Hals hingen und munter vor sich hin saugten. Auf seiner Stirn bildete sich ein Schweißfilm, den ihm der Arzt

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