Die Sünde der Brüder
genau wusste, was so leicht hätte passieren können.
Der erste Schock und der Schmerz über Percys Betrug waren verblasst und hatten einen Zustand dumpfen Elends hinterlassen, in das er sich einhüllte wie in ein Stück Segeltuch zum Schutz vor dem Sturm. Es loszulassen, das wusste er, bedeutete, sich den bohrenden Angriffen von Schmerz und Grauen schutzlos auszusetzen.
Die Armee war weitergezogen und hatte Percy in seiner Zelle mit den Würsten zurückgelassen. Heute Abend hatten sie ihr Lager in der Nähe der Ortschaft Crefeld aufgeschlagen, die ihren Namen - »Krähenfeld« - völlig zu Recht trug; am Tage wimmelte es auf den Feldern nur so von den schwarzen Vögeln, die scharenweise krächzend aufstoben, als die Armee vorbeimarschierte.
Doch jetzt hatte die Armee Halt gemacht, und die Nacht stieg sanft aus den Feldern rings um Crefeld auf. Die Luft war still, und der Rauch der Wachfeuer mischte sich unter den Dunstschleier, der permanent über den Feldern hing; unter den Hufen seines Pferdes schien langsam dunkler Nebel aufzusteigen.
Während es allmählich Nacht wurde, ritt Grey von einer
Kompanie zur nächsten und stieg an jedem Feuer lange genug ab, um sich einen Schluck Bier oder einen Bissen Brot oder Wurst anbieten zu lassen, während er sich mit den Hauptmännern, den Leutnants, den Korporälen unterhielt. Passierte jede Lagerstelle, nickte den Männern zu und wechselte lächelnd ein paar Worte mit Bekannten, während er sich scheinbar beiläufig ein Bild von ihrer Stimmung, ihrer Einsatzbereitschaft und ihrer Ausrüstung machte. Hörte sich mit einem Ohr die Sorgen und die Neuigkeiten seiner Offiziere an, während er mit dem anderen den Geräuschen der nahenden Nacht lauschte. Hörte auf Unterbrechungen der Heimchengesänge im zunehmenden Dunkel zwischen den Lagerfeuern, auf Alarmgeräusche in den gedämpften Gesprächen und dem Lachen der Soldaten, die sich jetzt zum Essen und zur Ruhe niederließen. Der Feind war ganz in ihrer Nähe.
»Einen Tagesmarsch noch, habe ich gehört, dann holen wir die Franzmänner ein«, meinte Tarleton, einer der beiden Fähnriche, die im Feld stets in seiner Nähe waren, um Nachrichten zu überbringen, Depeschen zu transportieren, Befehle auszuführen, etwas Essbares aufzutreiben, kurz, seine Mädchen für alles waren.
»Woher weißt du das?«, fragte Brett, der Jüngere der beiden, neugierig. »Ich meine, von den Hessen oder von einem unserer Leute?« Er klang aufgeregt; dies war sein erster Feldzug, und er konnte die Schlacht gar nicht mehr abwarten.
»Äh … vom Leutnant des Quartiermeisters«, gestand Tarleton. »Er hatte es von einem der Deutschen, hat aber nicht gesagt, von wem. Meint Ihr denn, er hat Recht, Sir?«, rief er Grey zu. »Ist es bald so weit?«
Tarleton war vielleicht achtzehn und gab gegenüber dem fünfzehnjährigen Brett den erfahrenen Soldaten. Doch er war erst spät in den Stimmbruch gekommen, und wenn er nervös wurde, überschlug sich seine Stimme manchmal noch. Das Wort »weit« jodelte gefährlich in die Höhe, doch Brett war so klug, nicht zu lachen, und Greys Lächeln wurde vom Zwielicht verschluckt.
»Ja, sie sind in der Nähe«, antwortete er geduldig. »Sie haben Artillerie dabei, die ihren Vormarsch behindert.« Das Gleiche galt natürlich für Ferdinands Preußen und Hannoveraner und ihre englischen Verbündeten; sie waren jetzt schon fast zwei Monate hinter der Armee des Comte de Clermont her.
Dies war Ackerland, und der Boden war fruchtbar und feucht - so feucht, dass jede Latrine, die sie gruben, innerhalb eines Tages zur Hälfte mit Grundwasser volllief. Die englische Artillerie hockte murrend auf dem trockensten Stückchen Land, das sie hatten finden können. Karolus hob im Vorbeireiten den Kopf und wieherte den Pferden des Geschützparks zu. Grey spürte, wie der Hengst von plötzlichem Interesse ergriffen wurde; seine Mähne geriet in Bewegung, und er blähte die Nüstern, da ihm der Wind offenbar den Geruch einer Stute zutrug.
»Jetzt doch nicht, du geiler Bock«, sagte Grey und trieb ihn entschieden weiter. Karolus stieß zwar ein mürrisches Geräusch aus, gehorchte aber.
»Hat er Sehnsucht, Sir?«, fragte Tarleton scherzhaft.
»Na ja, wenn deine Eier kurz vorm Platzen sind, wirst du auch nervös, oder?«, sagte Brett um Weltgewandtheit bemüht.
Grey zog die Augenbraue hoch und überlegte, dass es wohl besser wäre, wenn er sich mit beiden Fähnrichen einmal unter vier Augen unterhielt und ihnen nahelegte, wie
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