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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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nächstbesten Steinhaufen gestellt, der im Zwielicht vor ihm aufragte, doch in letzter Sekunde erkannte er, dass es eines der Heiligenhäuschen war, die überall in der Gegend verstreut standen wie Ameisenhaufen, und er zielte stattdessen auf einen Busch.
    Als er fertig war, verschloss er seine Hose und steckte beinahe unwillkürlich die Hand in die Tasche. Es war noch da, er spürte das Knistern des Papiers.
    Die Note war im Lauf des Nachmittags eingetroffen; fast hätte er sie ignoriert, doch da er Symingtons krakelige Handschrift auf dem Umschlag erkannte, hatte er sie geöffnet. Charakteristischerweise - für Symington - war sie kurz, unverblümt und deutlich.
    »Custis ist tot«, stand dort ohne jeden Gruß, dann war der Vollständigkeit halber »Ruhr« angefügt. Diskreterweise war sie nicht unterzeichnet.
    Eigentlich hätte er Bedauern empfinden sollen - später vielleicht, wenn er Zeit dazu hatte und gefühlsmäßig dazu in der Lage war. So jedoch hatte er das Gefühl, dass Custis’ Tod für ihn selbst beinahe genauso wichtig war wie er zweifellos für Custis gewesen sein musste.
    Jeder wusste zwar, was sich in dem Gasthof zugetragen hatte. Das änderte aber nichts daran, dass nur Grey, Custis und der andere Hauptmann es gesehen hatten. Michael Weber war tot, der Hauptmann war nach Bayern versetzt worden. Jetzt war auch Custis nicht mehr da. Womit Grey als einziger Augenzeuge des Verbrechens übrig blieb.
    Hal hatte sich mit der für ihn üblichen obsessiven Unbarmherzigkeit jedes Kriegsgerichtsprotokoll über Fälle von Sodomie besorgt, dessen er habhaft werden konnte; überraschend wenige, wenn man bedachte, wie weit dieses Verbrechen - das
wusste Grey nun einmal - in Militärkreisen verbreitet war. Die Schlussfolgerung lag auf der Hand; die Militärhierarchie hatte kein Interesse an dieser Art von Skandal - es sei denn natürlich, wenn sich Schlimmeres damit übertünchen ließ. Doch wenn man sich blind stellen konnte, geschah dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch.
    Dementsprechend brannten die Militärgerichte auch nicht darauf, einen Offizier wegen Sodomie zu verurteilen - es sei denn, besagter Offizier hatte sich anderweitig unbeliebt gemacht, wie es bei Otway und Bates der Fall gewesen war. Kriegsgerichte waren zwar nicht zwangsweise an dieselben strengen Regeln der Beweisführung gebunden wie Zivilgerichte, doch man zögerte dennoch, sich mit weniger als Augenzeugenberichten abzufinden.
    Und Grey war jetzt der einzige Augenzeuge.
    Der Abend war zwar überhaupt nicht kühl, doch er erschauerte abrupt.
    Konnte er vor ein Kriegsgericht treten, schwören, die Wahrheit zu sagen - und lügen? Wenn jedem - einschließlich der Richter - absolut klar war, dass es eine Lüge war?
    Es würde den Ruin seiner Karriere und seines Rufs bedeuten. Manche würden möglicherweise einen fehlgeleiteten Akt der Familiensolidarität darin sehen - viele andere würden es als Hinweis darauf betrachten, dass Grey Verständnis für Percys Neigungen hatte oder sie gar teilte. So oder so würden ihn Gerüchte verfolgen. Eine Entlassung aus der Armee war unvermeidlich, und solange ihm der Dunsthauch eines solchen Skandals anhaftete, brauchte er nicht darauf zu hoffen, dass man ihn in der englischen Gesellschaft willkommen heißen würde - oder auch nur im Dienst einer fremden Armee.
    Und doch… es war Percys Leben. » Wenn es noch eine Spur von Güte zwischen uns gibt… so flehe ich dich an. Rette mich .« Konnte er die Wahrheit sagen und zusehen, wie Percy an den Galgen kam - oder ins Gefängnis, in die Leibeigenschaft -, und dann einfach sein Leben weiterleben?
    Einen Moment lang malte er sich die Möglichkeit aus, Percy
frei zu bekommen - durch Lügen oder Erpressung - und mit ihm ins Ausland zu gehen. Geld hatte er genug.
    Um ein sinnloses Dasein mit einem Mann zu führen, dem er nicht trauen konnte. Nein, das ging nicht.
    »Verdammt, Perseverance«, sagte er leise. »Ich wünschte, ich wäre dir nie begegnet.« Er seufzte und rieb sich mit den Handflächen über die geschlossenen Augenlider.
    Und doch wurde ihm klar, dass er das nicht ernst meinte. In Bezug auf Jamie Fraser traf es zu - aber nicht auf Percy. Und viel zu spät wurde ihm nun bewusst, dass er Percy Wainwright tatsächlich liebte. Aber … genug, um zu versuchen, ihn zu retten, um den Preis seiner eigenen Ehre und seines Lebens, auch wenn zwischen ihnen nichts mehr sein konnte?
    Und dann war da noch Hal. Wenn Symington von Custis wusste, so

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