Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
glitzerten. Jetzt waren sie ruhig und voller Güte.
    Grey konnte nicht sprechen. Es war riskant für Walpole, irgendwie mit einer solchen Affäre in Verbindung gebracht zu werden. Er lebte zurückgezogen; sein Privatleben kam niemals an die Öffentlichkeit, und das würde auch so bleiben. Es war eine außerordentliche Geste, wenn er seine Diskretion so weit opferte, sich in einen Fall zu verwickeln, der großes öffentliches Interesse wecken würde. Dabei war er nicht einmal persönlich mit Grey befreundet, selbst wenn Walpoles Vater ein enger Freund des Herzogs gewesen war.
    Er bezweifelte, dass Walpole irgendeinen Verdacht in Bezug auf seine Natur hegte, von seiner Beziehung mit Percy ganz zu schweigen. Egal wie, er hätte nie davon gesprochen, genauso wenig wie ihn Grey auf Thomas Gray angesprochen hätte, den Dichter, der seit Jahren Walpoles Geliebter war.
    Er hob den Arm und drückte Walpole zum Dank kurz die Hand. Walpole lächelte, ein kurzes, charmantes Lächeln.
    »Vergesst Humperdinck nicht«, sagte er. »Er wird Euch helfen, da bin ich mir sicher.«

     
    Er hatte zwar das Gefühl gehabt, dass ihm der Name »Humperdinck« irgendwie bekannt vorkam, doch ihm war zunächst nicht eingefallen, woher. Und so war er überrascht, sich dem Herrn gegenüberzusehen, den er zuletzt bei White’s auf dem Sofa gesehen hatte, wo er halb gelähmt und mit verrutschter Perücke an den Folgen einer Art von Schlaganfall gelitten hatte.
    Jetzt war Dr. Humperdinck bei bester Farbe und Gesundheit, und man merkte ihm höchstens noch Spuren des unglücklichen Zwischenfalls an; eine etwas zögernde Sprechweise, ein erschlafftes linkes Augenlid und ein hinkender linker Fuß, der ihn zwang, am Stock zu gehen. Diesen legte er nun beiseite und nahm in seinem Sprechzimmer Platz, nachdem er Grey aufgefordert hatte, dies ebenfalls zu tun.
    »Lord John Grey«, sagte er und betrachtete seinen neuen Patienten mit nachdenklichen, klaren blauen Augen. »Ich kenne Euch doch, oder? Aber ich kann mich nicht mehr erinnern, bei welcher Gelegenheit wir uns begegnet sind. Ich hoffe, Ihr verzeiht mir meine schlechten Manieren - ich habe letzten Winter einen Unfall erlitten, eine Art Apoplexie, und seitdem muss ich feststellen, dass mein Gedächtnis nicht mehr das ist, was es einmal war.«
    »Aber ich weiß es noch«, sagte Grey lächelnd. »Es war auf dem Bordstein vor dem White’s Club.«
    Der Doktor blinzelte erstaunt.
    »Wirklich? Ihr wart dort?«
    »Ja, mein Bruder und ich.«
    Der Doktor packte seine Hand und schüttelte sie.
    »Mein werter Sir! Ich freue mich so, Euch wiederzusehen. Nicht nur, weil es mir natürlich ein Vergnügen ist, sondern weil ich mich tatsächlich an Euch erinnere! Ich hatte gedacht, all meine Erinnerungen an den Abend meines Unfalls seien für immer dahin - und doch ist hier ein Stück davon! Sir, Ihr schenkt mir die Hoffnung, dass ich mit der Zeit vielleicht auch noch andere Erinnerungen zurückgewinne!«
    »Das hoffe ich für Euch«, sagte Grey lächelnd. Die unverhohlene
Freude des Arztes über die Rückkehr seiner Erinnerung dämpfte auch seinen eigenen Trübsinn vorübergehend - obwohl es viele Dinge gab, die er selbst gern vergessen hätte.
    »Ihr wisst nicht mehr, wohin Ihr an jenem Abend unterwegs wart?«, fragte er neugierig, während er auf Bitten des Arztes seinen Rock ablegte und sein Hemd öffnete. Humperdinck schüttelte den Kopf und griff in seine Tasche.
    »Nein, das weiß ich nicht …« Er richtete sich auf, ein kleines scharfes Instrument in der Hand und eine Miene des Erstaunens im Gesicht.
    »White’s!«, rief er aus und griff erneut nach Greys Hand, ohne an sein Instrument zu denken.
    »Autsch!«
    »Oh, ich bitte um Verzeihung, Sir, habe ich Euch geschnitten? Nein, nein, es ist alles gut, nur ein kleiner Kratzer; da reicht ein kleiner Verband… Man hat mir natürlich gesagt, dass man mich vor White’s Chocolate House gefunden hat - aber jetzt, da ich Euch den Namen aussprechen höre - White’s!«, rief er erneut voller Entzücken aus. »Ich wollte zu White’s!«
    »Aber -« Grey verkniff es sich gerade noch zu sagen, dass er dort kein Mitglied war, denn wenn es so gewesen wäre, hätte Holmes ihn ja sofort erkannt. »Wart Ihr dort mit jemandem verabredet?«, fragte er stattdessen.
    Der Doktor spitzte die Lippen und überlegte krampfhaft - gab es jedoch im nächsten Moment als sinnlos auf.
    »Nein«, sagte er und fischte einen sauberen Verband aus seiner Schublade. »Wahrscheinlich ist es so

Weitere Kostenlose Bücher