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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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manche bezeichneten es auch als Perversität - an den Tag gelegt und darauf beharrt, dass das Kind diesen Namen bekam. Da ihr Mann nicht da war, um sie daran zu hindern, geschah es so.
    »Macht es dir etwas aus?«, hatte sie zu Grey gesagt. »Wenn ja, dann tue ich es nicht. Melton würde es sicherlich sehr missbilligen - aber er ist ja nicht hier, um es sich zu verbitten.«
    »Fragst du mich das als stellvertretendes Familienoberhaupt?«, hatte er gefragt und den Umständen zum Trotz schwach gelächelt. Sie hatte ihn im Garten gefunden, in den er
sich jeden Mittag auf Toms Geheiß begab, weil das Bewusstsein, dass er ständig im Bett lag und die Zimmerdecke anstarrte, angeblich den ganzen Haushalt verstörte.
    »Natürlich nicht«, hatte Olivia gesagt. »Ich frage dich, weil - nun, weil eben.«
    Wahrscheinlich hätte er versuchen sollen, es ihr auszureden. Es war eine private Taufe, der nur Familienmitglieder und einige enge Freunde beiwohnten - doch es würde Gerede geben. Lady Lucinda Joffrey war die Taufpatin des Kindes; Sir Richard erstarrte sichtlich, als er hörte, wie der Vikar die Namen des Kindes aufsagte, und warf Grey einen scharfen Blick zu.
    Doch Grey war gegen jeden Blick und jedes Gerücht immun. Er wandelte in einer schützenden Wolke aus sanftem grauem Nebel, die alles dämpfte und ihm das Gefühl gab, unsichtbar zu sein.
    Hin und wieder drang etwas Unerwartetes durch den Nebel, scharf und verletzend wie die Schrapnellsplitter, die noch in seiner Brust steckten und sich nacheinander ihren Weg an die Oberfläche bahnten. Letzte Woche war es Harrys Besuch gewesen. Heute war es das Licht.
    Der Tag hatte bewölkt begonnen, doch jetzt kam die Sonne hervor, und durch ein Buntglasfenster ergoss sich eine Lichtflut über die Taufgesellschaft und tauchte sie in Flecken aus Rot, Blau und Grün.
    Bis jetzt war der Platz an seiner Seite nicht mehr gewesen als ein Stück leerer Fußboden. Jetzt war er auf einmal ein Abgrund.
    Er wandte den Blick ab. Sein Herz klopfte, seine Handflächen schwitzten, und er sah, wie ihm Olivia einen besorgten Blick zuwarf. Er nickte ihr mit einem gezwungenen Lächeln zu, und sie entspannte sich ein wenig und richtete ihr Augenmerk wieder auf das Kind in Lucindas Armen.
    Er sprach den Taufschwur mechanisch nach, ohne ihn zu hören. Ringsum erbebte die Luft im Echo von Orgelpfeifen und Schwertgerassel, und ihm lief der Schweiß über den Rücken.

    Lucinda zog dem Kind das Spitzenhäubchen aus, und Cromwell Percival John Malcom Stubbs’ Köpfchen lugte so rund wie eine kleine Melone aus seinem Taufkleidchen hervor. Grey unterdrückte das unpassende Bedürfnis zu lachen, und im selben Moment empfand er ein brennendes Schmerzgefühl, weil es ihm unmöglich war, zu Percy zurückzukehren und das gleiche Lachen auch in seinen Augen zu sehen.
    Es war ja nicht einmal der richtige Name. Er hatte darüber nachgedacht, es Olivia zu erzählen, hatte es aber nicht getan. Vielleicht war es ja nicht das einzige Geheimnis, das Percy geblieben war, doch es war das einzige, das Grey noch für ihn hüten konnte.
    Das Datum für das Kriegsgericht stand fest: am 13. Oktober um elf Uhr morgens. Wenn sie Percy hängten - basierend auf Greys Zeugenaussage -, sollte er darauf bestehen, dass es unter dem Namen »Perseverance« geschah?
    Lucinda trat ihm vor den Knöchel, und er begriff, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren.
    »Sagt ›ich glaube‹«, murmelte Lucinda.
    »Ich glaube«, sagte er gehorsam.
    »Ich taufe dich, Cromwell Percival John Malcolm, im Namen des Vaters …«
    Er hörte Wasser plätschern wie fernen Regen.
    Ich hätte ihr sagen sollen, dass es »Perseverance« ist , dachte er von plötzlicher Panik erfasst. Was, wenn das alles ist, was von ihm bleibt?
    Doch es war zu spät. Er schloss die Augen und spürte, wie ihn der sanfte Nebel wieder tröstend umhüllte. Seine graue Färbung war mit dem Licht der Heiligen und Märtyrer versetzt.
     
    »Ihr seht nicht gut aus, John.« Lucinda Joffrey schritt im Kreis um ihn herum und betrachtete ihn nachdenklich über ihren Fächer hinweg.
    »Ihr überrascht mich, Madam«, sagte er höflich. »Ich habe große Sorgfalt darauf verwendet, wie das blühende Leben auszusehen.«

    Statt auf diesen Versuch einer schlagfertigen Antwort einzugehen, klappte sie ihren Fächer zusammen und versetzte ihm damit einen Hieb vor die Brust. Er zuckte zusammen, als hätte sie mit einer Hutnadel auf ihn eingestochen.
    »Nicht. Gut.« Bei jedem Wort versetzte sie ihm

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